90 Jahre Frauenwahlrecht:Damenwahl

Vor 90 Jahren durften Frauen in Deutschland erstmals wählen. Heute ist eine Frau Kanzlerin. Ist alles erreicht? Angela Merkel und ihre Ministerinnen fordern beim Festakt mehr Engagement.

Susanne Höll

Das Jubiläumsjahr 2009 hat begonnen, mit der ersten größeren offiziellen Veranstaltung. Regierungschefin Angela Merkel hatte zu einer Matinee ins Kanzleramt gebeten, um an die Einführung des Frauenwahlrechts vor 90 Jahren zu erinnern.

90 Jahre Frauenwahlrecht: Frauen, die Macht haben: Ursula von der Leyen, Angela Merkel und Alice Schwarzer

Frauen, die Macht haben: Ursula von der Leyen, Angela Merkel und Alice Schwarzer

(Foto: Foto: ddp)

Das Ereignis jährte sich zwar schon vor Wochenfrist. Doch das war der Tag nach der hessischen Landtagswahl, an dem weder die Kanzlerin noch die geladenen Damen, knapp 200 dürften es gewesen sein, Zeit und Muße für eine Feierstunde gehabt hätten.

Die Zahl der Herren ließ sich an einer Hand abzählen: In der ersten Reihe saß als einziger Mann der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet (CDU), zuständig auch für Gleichstellungsfragen. Er kam zu Wort, allerdings nur kurz. Denn dies war trotz einiger Wahlkampftöne eine überparteiliche und außerordentlich harmonische Veranstaltung von und für Frauen aus der Politik, wenngleich ohne klare Botschaft.

Zurückblicken, Bestandsaufnahme machen, in die Zukunft blicken - das war das erklärte Ziel der Bundeskanzlerin. Beim Blick zurück auf den 19. Januar 1919, jenem Tag, als die Frauen in Deutschland nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, der Abdankung des Kaisers und der Ausrufung der Republik auf Drängen der Sozialdemokraten erstmals abstimmen durften, waren sich alle Frauen an den Mikrophonen - von der Feministin Alice Schwarzer über die Grande Dame der FDP, Hildegard Hamm-Brücher, bis hin zu Merkel einig: Es ist viel erreicht worden.

Schließlich ist in Deutschland eine Frau Kanzlerin. Wenig überraschend auch der Appell der Kanzlerin und ihrer Ministerinnen aus SPD und CDU an die Frauen, sich nicht abschrecken zu lassen von einem Engagement in Politik und Wirtschaft, Begeisterung zu entwickeln für die öffentlichen Dinge. 1919, so erinnerte die Kanzlerin, waren 82,7 Prozent der Frauen zur Wahl gegangen. Heutzutage ist es mancherorts bestenfalls die Hälfte, wenngleich auch die Männer wahlmüder werden.

Unattraktiv, aussichtslos oder beides - lesen Sie weiter, welche Posten Frauen bekommen.

Damenwahl

Die Politikerinnen teilen, wie deutlich wurde, heutzutage vor allem ein Problem: In eine Spitzenposition kommen sie zumeist dann und unverhofft, wenn die männlichen Kollegen den Posten für unattraktiv, aussichtslos oder beides halten.

So widerfuhr es der SPD-Bürgermeisterin von Wismar, Rosemarie Wilcken, die 1990 als Spitzenkandidatin bei der Kommunalwahl antrat, weil sich kein anderer Bewerber fand. Als sie den CDU-Kandidaten schlug, meldeten sich plötzlich doch Interessenten, die meinten, als Spitzenkandidatin müsse man ja nicht unbedingt Stadtoberhaupt werden. Wilcken ließ sich nicht abschrecken, wurde Bürgermeisterin und 2002 im Amt bestätigt. "Frauen zu wählen ist nicht das Problem. Die Hürde ist, nominiert zu werden", sagt sie am Montag im Kanzleramt.

Und Merkel, die Parteivorsitzende wurde, weil nach der Spendenaffäre von Ex-Kanzler Helmut Kohl kein Mann nach dem Amt gierte, sagt an die Adresse der Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth: "Frankfurt war für die CDU nicht unbedingt ein sicheres Terrain. Ich weiß nicht, ob Sie sich ansonsten so lang gehalten hätten."

Dass Frauen grundsätzlich bessere Politiker sind, behauptete keine der Damen. Justizministerin Brigitte Zypries (SPD), die es, wie ihre männlichen Kollegen als Innenstaatssekretärin mit ihrem Chef Otto Schily (SPD) wahrlich nicht immer leicht hatte, widersprach gar solchen Thesen: "Stress hat man mit jedem Vorgesetzten. Deshalb muss man dafür sorgen, dass man möglichst wenig hat. Es kommt weniger auf das Geschlecht als auf den Charakter an".

Sie befand zwar, dass die Kanzlerin im Kabinett stärker moderiere als ihr Vorgänger Gerhard Schröder (SPD). Doch das sei keine typisch weibliche Eigenschaft. Außenminister und Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier (SPD) sei ein ebenso guter Moderator wie Merkel. Schließlich seien sie sich beide in ihrer Struktur ähnlich.

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