30 Jahre Falkland-Krieg:"Dieser Kampf wird ewig sein"

Das Trauma wirkt nach. Drei Jahrzehnte nach dem Falkland-Krieg begeht Argentiniens Präsidentin Fernández de Kirchner die Erinnerung mit neuer Empörung. Der Krieg werde "diplomatisch, kulturell, politisch" weitergehen. Es geht um Nationalstolz - und die Schätze der Natur: Die Ölvorkommen auf den Inseln sind immens.

Peter Burghardt

Vor 30 Jahren feierten Menschenmassen auf der Plaza de Mayo von Buenos Aires den Beginn eines Desasters. Am 2. April 1982 besetzten argentinische Truppen Großbritanniens Falklandinseln vor Patagoniens Küste, Argentinien nennt sie Islas Malvinas - Malwinen.

Falkland-Krieg, 1982

Der Beginn eines Desasters: Die britische Flagge weht 1982 über der Ajax Bay auf den Falkland-Inseln.

(Foto: AP)

Soldaten hissten die hellblauweiße Flagge und benannten Port Stanley in Puerto Argentino um. Am Rio de la Plata herrschte eine blutige Militärdiktatur, die Andersdenkende foltern, ermorden und verschwinden ließ, doch in jenen Momenten nationalistischen Eifers war man sich einig. Hunderttausende huldigten im Herzen der Hauptstadt den Generälen, die wahnwitzige Invasion lenkte ab von Verbrechen und Wirtschaftschaos. "Wenn sie kommen wollen, dann sollen sie kommen", rief der Tyrann Leopoldo Galtieri dem jubelnden Volk zu. "Wir werden ihnen eine Schlacht liefern." Er meinte die Briten

Margret Thatcher schickte ihre Flotte, die Royal Navy kam, Schiffe wurden versenkt und Flugzeuge abgeschossen. 80 Tage später waren die Schlacht und die Inseln für Argentinien verloren. Am 20. Juni 1982 wehte wieder der Union Jack über dem kargen Archipel im kalten Ozean. Es starben 649 Argentinier, darunter viele junge Wehrpflichtige, und 258 Briten. Hunderte Veteranen nahmen sich später das Leben, das Trauma wirkt bis heute nach.

Neue Welle der Empörung

Drei Jahrzehnte nach dem Krieg begeht Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner die Erinnerung auf einer neuen Welle der Empörung, obwohl sie das ehemalige Regime verachtet. In der Stadt Ushuaia auf Feuerland leitet die Staatschefin zum Jubiläum am Montag eine Gedenkveranstaltung mit alten Kriegern. "Dieser Kampf wird ewig sein", verkündete sie kürzlich bei einem Festakt im Palast Casa Rosada. "Aber nicht mehr mit Gewalt, sondern diplomatisch, kulturell, politisch."

So findet der Streit trotz der verheerenden Niederlage von damals zu keinem Ende, zum 30. Jahrestag erhitzen sich wieder die Gemüter. London trug seinen Teil dazu bei, denn Kronprinz William reiste zu Übungen als Rettungspilot an. Außerdem wurden ein englischer Zerstörer und ein mutmaßliches Atom-U-Boot entsandt.

Die argentinische Regierung beklagt bei den Vereinten Nationen "eine Militarisierung des Südatlantiks", unterstützt von mehreren Ländern Lateinamerikas. Auch sollen Waren der britischen Kolonialmacht boykottiert und Schiffe mit Herkunft Malwinen abgewiesen werden. Demonstranten besetzten sogar den sogenannten Turm der Engländer in Buenos Aires, eine Kopie des Big Ben.

Ständig wird die Geschichte wieder aufgewärmt, dabei liegt sie so lange zurück. 1833 besetzte Britanniens Krone die abgelegenen Eilande, 12.000 Kilometer vom Königreich entfernt und 500 Kilometer vom argentinischen Feuerland, ein Vorposten auf dem Weg in die Antarktis.

"Die Malwinen sind argentinisch"

Die vorigen Besitzverhältnisse sind ein historisches Puzzle, Argentinien jedenfalls fühlt sich als bestohlener Eigentümer. Argentinische Landkarten kennen statt Falklands wie gehabt nur Malvinas, und Port Stanley ist Puerto Argentino. "Las Malvinas son argentinas", die Malwinen sind argentinisch, den Spruch kennt jedes Kind. Straßen, Stadien, Flughäfen und Läden heißen Malvinas Argentinas. Selbst viele Intellektuelle werden bei dem Thema zu Chauvinisten.

Die beiden Inselgruppen sehen aus wie zwei Lungenflügel, mit ihnen holen Argentiniens Nationalisten Luft. Auf 12.000 Quadratkilometer Boden könnte die Republik zwar verzichten, das achtgrößte Staatsgebiet der Erde bietet seinen 40 Millionen Einwohnern reichlich Platz. Auch waren die meisten Argentinier noch nie auf den Malwinen.

Inzwischen fliegt außer der Royal Air Force nur noch die chilenische Linie Lan dorthin, einmal pro Woche via Chile, gelegentlich mit Zwischenlandung im argentinischen Rio Gallegos. In Argentinien wird die Verbindung als Inlandsflug betrachtet, am Zielort bekommen Reisende von der British Army allerdings einen halbseitigen Vermerk mit Aufschrift "Government of the Falkland Islands" in den Pass gestempelt. Es geht um Nationalstolz - und um Schätze der Natur.

3000 Zivilisten und 1500 Soldaten wohnen auf dem rauen Terrain, dazu Heere von Schafen und Pinguinen. Es geht ihnen gut, sofern sie Kälte, Regen, Wind und Minenfelder ertragen. Der Durchschnittslohn übersteigt das EU-Mittel, die Falklandinseln liegen in reichen Fischgründen. Dazu wurden immense Ölvorkommen entdeckt, die Bohrungen haben begonnen, was Argentinien als weiteren Diebstahl betrachtet.

Die Einheimischen sind britischer als die Briten

Die Einheimischen, genannt Kelper, wollen angesichts ihres Wohlstands erst recht nichts von dem Nachbarn wissen. Sie sind britischer als Briten. Es gibt den Pub Globe Tavern, die Victory Bar, den Thatcher Drive, die Zeitung Penguin News.

Militärisch ist der Fall wohl erledigt. Die Schmach gab damals Argentiniens Regime den Rest, 1983 kehrte die Demokratie zurück. Die Armee spielt keine Rolle mehr. Die Falklandinseln alias Malwinen werden bewacht von Eurofightern - die argentinische Luftwaffe fliegt schrottreife Mirage.

Manche Verlierer schweigen, andere reden, einige kehren gelegentlich als Touristen und Wallfahrer zurück. Ihr Drama füllt Filme, Bücher, Zeitungen. Sie erzählen, wie sie von ihren Vorgesetzten misshandelt und als Kanonenfutter missbraucht wurden. Zuhause sind sie eine frustrierte Randgruppe. "Ich wollte Dinge erklären, aber die Leute verstanden mich nicht", berichtete Marcelo Vallejo, der sieben Monate auf den Inseln der Demütigung gelitten hatte. Als späte Therapie lief er zuletzt Marathon auf dem Schlachtfeld.

Andere schrauben an Felsen der Stellungen Plaketten für gefallene Kameraden und besuchen den tristen Friedhof von Darwin mit seinen weißen Kreuzen für die toten Argentinier. Einer der Pilger, ein Überlebender, sagte: "Es ist, als ob wir einen Rucksack begraben, den wir seit 30 Jahren mit uns herum tragen."

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