Jagd:Wald vor Wild

Reh in der Natur, Ein Reh nahe eines Weizenackers in Killingen bei Ellwangen an der Jagst. Ellwangen Baden-Württemberg D

Für die Jagd auf Rehe sieht der Entwurf des neuen Bundesjagdgesetzes keine zahlenmäßige Obergrenze mehr vor.

(Foto: Marius Bulling/imago images)

"Alle Alarmglocken läuten": Tierschützer kritisieren den Entwurf der Bundesregierung für ein neues Jagdgesetz. Aber auch Forstbesitzer sind nicht zufrieden.

Von Rudolf Neumaier

Für Jäger wird sich in Zukunft einiges ändern. Sie sollen Schießübungsnachweise erbringen, wenn sie an Gesellschaftsjagden teilnehmen wollen; die Jägerprüfung soll höheren Anforderungen genügen und bundesweit einheitlich werden. So will es der Entwurf des neuen Bundesjagdgesetzes. Auch soll der Handel mit bestimmten Tierfallen, deren Verwendung schon seit Jahrzehnten untersagt ist, verboten werden. Darüber hinaus sieht die Gesetzesreform vor, dass Jäger mit Waldbesitzern einen Mindestabschuss für Rehwild vereinbaren müssen, um junge Bäume vor Verbiss zu schützen. Die von profitorientierter Forstwirtschaft, Dürrejahren und Borkenkäfern geplagten Monokulturwälder sollen "im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen" umgebaut werden können. Eine zahlenmäßige Obergrenze bei der Rehtötung wird es deshalb nicht mehr geben. Mit diesen Neuerungen hat das Bundeslandwirtschaftsministerium seine Novelle in dieser Woche den Verbänden vorgestellt.

Und die sind nicht zufrieden. Am deutlichsten äußert sich der Deutsche Tierschutzbund. Er fordert zum Beispiel seit Langem ein generelles Verbot von Totschlagfallen und eine deutliche Verkleinerung der Liste jagdbarer Tierarten. "Mir ist schleierhaft, wozu noch auf Mauswiesel oder in manchen Bundesländern sogar auf Eichelhäher gejagt werden soll", sagt James Brückner, der Artenschutzreferent des Verbandes. Eingeschränkt auf eine überschaubare Zahl an Teilnehmern und eine überschaubare Fläche sähe er gern Gesellschaftsjagden, etwa Drückjagden, die immer öfter gegen Wildschweine und Rehe organisiert werden. Zudem fordert er eine Verkürzung der Jagdzeiten auf die Zeit von Spätherbst bis Mitte Dezember.

Bei Tierschützerin Tessy Lödermann läuten "alle Alarmglocken"

Bei der Rehwildfrage verweist Brückner an seine Verbandskollegin Tessy Lödermann, bei der angesichts des Entwurfs "alle Alarmglocken läuten". Das Reh, sagt sie, werde nur noch "unter dem Aspekt der Einwirkung auf forstliche Ziele" betrachtet. Dass der Begriff Hege im Jagdgesetz die Verbindung zum Tierschutz herstelle, werde durch das Koppeln der Rehwildbejagung an forstliche Betriebsziele unterwandert. "Das schwächt den Tierschutz massiv." Die Biologin Christine Miller, Vorsitzende des Wildtierschutzvereins Wildes Bayern, pflichtet Lödermann bei: "Aus einem grünen Gesetz würde dadurch ein Nutzerlobbygesetz." Es betrachte Rehe nicht mehr als Lebensraumelemente.

Unzufrieden mit dem Entwurf sind auch die Waldbesitzer. Obwohl die Obergrenzen weichen, geht es ihnen nicht weit genug mit der Rehwildbejagung. Nach Ansicht ihrer Vertreter Georg Schirmbeck, Präsident des Deutschen Forstwirtschaftsrates, und Hans-Georg von der Marwitz, Präsident der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände, bleibt die Novelle "deutlich hinter" den Erwartungen zurück. Sie wollen sich die Kosten für Maßnahmen wie Wildzäune oder den Schutz einzelner Pflanzen generell sparen. "Es muss sichergestellt werden, dass sich der Wald natürlich ohne Schutzmaßnahmen verjüngen kann, sonst haben klimastabile Mischbaumarten bei hohem Wildverbiss-Druck keine Chance", sagt von der Marwitz. Mischbaumarten müssten durch Saat oder Pflanzung "zum Umbau von Reinbeständen" eingebracht werden und dann weitgehend ohne Schutz gedeihen können. Was konkret die Waldbesitzer- und Forstwirtschaftsvertreter in dem Entwurf des Ministeriums vermissen und ändern wollen, darauf geht ihre Stellungnahme nicht ein.

Und was sagen die, die das geänderte Gesetz schließlich auch betrifft, die Jäger? Viele Neuerungen begrüßt Torsten Reinwald, der Sprecher des Deutschen Jagdverbandes, etwa den Schießübungsnachweis. Beim Thema Wald und Wild sei aber noch einiges zu diskutieren. "Selbstverständlich müssen junge Laubbäume geschützt werden, die man in Nadelholz-Monokulturen pflanzt. Und zwar allein schon vor konkurrierenden Pflanzen." Vor diesem Hintergrund wirke sich der über Jahre vollzogene Stellenabbau in vielen Forstbetrieben fatal aus. Den Jägern sei der Waldumbau ein Anliegen. "Aber dazu gehört mehr als Schießen."

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