KI-Gipfel in Paris:Erst mal will J. D. Vance von der EU-Chefin nichts hören

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US-Vizepräsident J. D. Vance (re.) mit seiner Frau Usha, an der Seite von Gastgeber Emmanuel Macron und seiner Gattin Brigitte (li.) vor dem Élysée-Palast in Paris. (Foto: Ian Langsdon/AFP)

Selten war Europa von den USA so weit entfernt wie im Umgang mit künstlicher Intelligenz. US-Vizepräsident J. D. Vance hält eine nationalistische Rede. Und eilt davon, bevor die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen spricht. Doch sie treffen sich später.

Von Oliver Meiler, Paris

Ein neuer, rauer Sound legt sich auf die Beziehungen zwischen den USA und Europa, er trägt auch das Timbre von J. D. Vance. Für seinen ersten offiziellen Auftritt im Ausland hat der Vize von Präsident Donald Trump den AI Action Summit in Paris gewählt und hielt eine viel beachtete Rede. Eine Viertelstunde dauerte sie nur, doch sie war voller scharf gestanzter, nationalistischer Sätze zu Amerikas angeblicher Hegemonie bei der „neuen industriellen Revolution“, die mit der künstlichen Intelligenz über die Welt komme, wie er es nannte. „Wir sind der Goldstandard, weltweit.“

Kaum war Vance fertig, der dünne Höflichkeitsapplaus abgeklungen, und noch bevor Ursula von der Leyen das Wort ergriff, um Europas Sicht auf KI darzustellen, hatte Vance den Grand Palais durch den Hauptausgang verlassen, unübersehbar. Eine plötzliche Unpässlichkeit? Ein Affront? Später am Tag trafen sich die beiden bilateral. Doch die Brüskierung klang nach.

Warnung vor den Zauderern

Vance ist 40 Jahre alt, hat fast gar keine politische Erfahrung, auch keine diplomatische. Das war also eine Premiere in vielerlei Hinsicht. Das merkte man seiner Rede aber nicht an.

Er begann sie mit einem lockeren Spruch zum guten Wein, der am Abend davor beim Galadinner der Prominenz aus Politik und Big Tech im Palais de l'Élysée gereicht worden war, wurde dann aber sehr schnell sehr deutlich. „Ich bin hier, um über die Chancen der künstlichen Intelligenz zu sprechen“, sagte er. Die Technologie dürfe nicht von Zögerern gebremst werden, nicht von „exzessiven Regulierungen“, nicht von ständigem Drang nach Sicherheitsmaßnahmen. „Das könnte sie zerstören, während sie gerade boomt“, sagte er. „Wir sind besorgt, dass man uns stoppen will.“ Amerika könne und wolle das nicht akzeptieren.

Amerika appelliert, bei KI nicht auf autoritäre Regime zu setzen

Die Mahnung des Vizes richtete sich in erster Linie an die Europäische Union, und das war zu erwarten gewesen: Die neue US-Regierung findet ja, die Europäer mischten sich in Dinge ein, die sie nichts angingen, sie seien nicht genug „innovation friendly“. Vance verbat sich auch, dass „aus ideologischen Gründen“, wie er es nannte, die freie Meinungsäußerung auf den sozialen Plattformen zensiert werde.

Allzu oft würden Inhalte als Fake News und Falschinformation beanstandet, weil sie nicht dem ideologischen Schema der jeweiligen Regierungen entsprächen. Mit KI hatte dieser Einwurf nur am Rande zu tun, doch er war ihm offensichtlich besonders wichtig. Im Wahlkampf hatte Vance einmal davon gesprochen, die USA müssten erwägen, die Nato zu verlassen, sollte die EU das soziale Netzwerk X von Elon Musk dazu zwingen, Posts zu moderieren.

Vance appellierte dann noch an die „internationalen Freunde“, sie sollten bei der KI ganz auf die USA setzen statt auf „autoritäre Regimes“, weil die Daten und Know-how stehlen würden. Gemeint war diesmal China, ohne dass er es namentlich nannte. Beim Dinner im Élysée, so hört man von Anwesenden, hatte Vance den Esstisch verlassen, als der chinesische Vizepremier zum Toast eine Rede hielt und dabei zum freien Welthandel aufrief – und gegen Trumps Importzölle. Das Verlassen des Raums zu gegebener Zeit scheint also einem gewissen Verhaltensmuster zu folgen.

Von der Leyen beschwört den „europäischen Geist“

Dann war im Grand Palais Ursula von der Leyen dran, und die konterte mit einer trotzigen Gegenrede. Das Rennen um die globale Vorherrschaft sei nämlich weit davon entfernt, entschieden zu sein, sagte sie. „Es hat eben erst begonnen, die Grenzen verschieben sich ständig – die globale Leadership ist immer noch zu holen.“

Doch Europa werde „auf europäische Weise“ und „mit europäischem Geist“ an diesem Rennen teilnehmen. „Viel zu oft konnte man schon hören, dass wir die kopieren sollten, die vorneweg rennen, aber wir haben unseren eigenen Weg.“ Es sei halt wichtig, dass die Bürger Vertrauen in die neue Technologie und in deren Sicherheit hätten. Darum habe die EU einen „AI Act“ ausgearbeitet, alle 27 Länder zusammen, der einige essenzielle Regeln festlege.

Von der Leyen räumte dann aber ein, dass es nötig sei, dass Europa Bürokratie abbauen müsse. Damit die Unternehmen aus der Techwelt schneller auf die Bewegungen auf dem Weltmarkt reagieren könnten. Ziel sei es nun, im Programm Invest AI 200 Milliarden Euro zu mobilisieren, die in den kommenden Jahren in die europäische KI-Entwicklung investiert würden. 150 Milliarden sind privat, sie kommen von Investoren und großen Unternehmen, die sich in der Allianz EU AI Champions Initiative zusammengetan haben. Auch die europäischen Techfirmen sind daran beteiligt.

Vorbild der Kernforschung

Die EU schieße 50 Milliarden Euro dazu, kündigte von der Leyen an. In der Summe sei das die größte öffentlich-private Partnerschaft. Als Modell für das europäische KI-Projekt diene das Cern, also die Europäische Organisation für Kernforschung bei Genf.

Der Wettstreit um die Zukunft ist damit zur Zahlenschlacht geworden, oder wie die Angelsachsen sagen würden: zum „pissing contest“. Begonnen hatte Trump, als er neulich sagte, die USA würden „mindestens 500 Milliarden Dollar“ in Stargate und die Entwicklung von KI investieren. Vance sprach nun gar von 700 Milliarden Dollar bis 2028. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Ausrichter des Gipfels, wollte da nicht zurückstehen: Er verhieß 109 Milliarden Euro von privaten Investoren, kanadischen und emiratischen. Das Geld ist allein für französische Datencenter und für die französische Techbranche gedacht, die er für die beste Europas hält.

Wer also dachte, dieser Gipfel auf dem alten Kontinent würde die wild boomende Branche zumindest ein bisschen zu zähmen versuchen, wurde enttäuscht. Schon das Teilnehmerfeld, prominent bestückt mit großen Namen aus dem Silicon Valley, war nicht dazu prädestiniert. Und die europäischen Leader? Wollten wohl lieber nicht, dass man ihnen einmal vorwerfen könnte, sie hätten gebremst, die Revolution verschlafen. Wie damals, nach der Geburt des Internets.

Am Schluss gab es eine Gipfelerklärung, eine unverbindliche. 60 unterschrieben sie. Die USA waren nicht dabei.

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