IWF sucht Nachfolger für Strauss-Kahn:Chefposten zu vergeben

Ein neuer IWF-Chef muss her: Bis Ende Juni will die Organisation Klarheit über die Nachfolge von Dominique Strauss-Kahn, dem in New York der Prozess gemacht wird. Ein Europäer soll es werden - verlangen die Europäer. Der Angeklagte hat inzwischen die Gefängnisinsel verlassen.

Der IWF will Klarheit: Bis Ende Juni will der Internationale Währungsfonds (IWF) einen Nachfolger für den wegen versuchter Vergewaltigung angeklagten Ex-Direktor Dominique Strauss-Kahn gefunden haben.

Als Favoritin gilt die französische Finanzministerin Christine Lagarde. Für sie sprach sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ erneut durchblicken, dass sie Lagarde für geeignet halte - das sei aber keine "Bestätigung einer Kandidatur".

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warf Merkel mangelnden Einsatz für einen deutschen Kandidaten vor. Merkel will nach dem Rücktritt Strauss-Kahns auch künftig einen europäischen IWF-Chef. "Es gibt eine breite Unterstützung dafür, dass Europa einen Kandidaten aufstellt", sagte sie am Samstag bei der CSU-Vorstandsklausur im oberbayerischen Kloster Andechs.

Die Organisation teilte mit, der Auswahlprozess solle bis zum 30. Juni abgeschlossen sein. Die Nominierungsphase für Bewerber um den Posten werde am 23. Mai beginnen und laufe bis zum 10. Juni. Zugleich veröffentlichte der Fonds die grundlegenden Bedingungen für eine Kandidatur. Demnach muss der künftige Direktor aus einem der Mitgliedsländer stammen. Er sollte über große Erfahrung in der Gestaltung von Wirtschaftspolitik sowie über tiefgreifende diplomatische Fähigkeiten verfügen. Nach Ansicht europäischer Regierungen sollte wie üblich ein Europäer an die Spitze der Sonderorganisation der Vereinten Nationen rücken. Allerdings melden auch Schwellenländer wie China und Indien ihren Anspruch an.

Die USA als größter Anteilseigner haben sich in der Nachfolgediskussion bislang neutral geäußert. Die amerikanische Regierung unterstütze Kandidaten, die in einem offenen Auswahlprozess gefunden würden und eine Mehrheit hinter sich versammeln könnten, teilte das Finanzministerium mit. Für Frankreichs Finanzministerin Lagarde sprach sich Bundesfinanzminister Schäuble aus: "Mit Christine Lagarde, so sie sich dann entscheidet zu kandidieren, hätte Europa beste Chancen, den Posten wieder zu besetzen. Entscheidend ist jetzt aber vor allem, dass Europa in dieser Frage mit einer Stimme spricht", sagte er der Bild am Sonntag.

Schäuble lobte ihre Qualifikationen: "Christine Lagarde ist in der Sache und als Person hervorragend geeignet. Sie wird in der gesamten Finanzwelt überaus respektiert und geschätzt." Schäuble bekräftigte den Anspruch der Europäer auf den Posten des IWF-Direktors: "Die USA und Europa zahlen schließlich mit weitem Abstand den größten Teil der Beiträge." EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier sagte der Tageszeitung Die Welt: "Es ist ganz wichtig, dass die Europäer so schnell wie möglich einen gemeinsamen Kandidaten für den Chefposten des IWF vorschlagen." Der Kandidat müsse für die Amerikaner und auch für die Schwellenländer akzeptabel sein. "Das sollte nicht so schwer sein", sagte der Franzose.

In New York nicht mehr erwünscht

Nur eine Woche hatte das Leben des einst mächtigsten Bankers der Welt dramatisch verändert: Letzten Samstag standen Dominique Strauss-Kahn noch alle Türen offen, nach der Anklage wegen versuchter Vergewaltigung ist der gefallene IWF-Chef in New York zum Paria geworden. Die Bewohner eines Wolkenkratzers in der betuchten Upper East Side rebellierten, als sie hörten, dass Strauss-Kahn seine Zelle gegen ihr Penthouse eintauschen wollte.

Gegen eine Kaution von insgesamt sechs Millionen Dollar war der 62-jährige Franzose am Freitag von der berüchtigten Gefängnisinsel Rikers Island im New Yorker East River entlassen worden. Der Ex-Chef des Internationalen Währungsfonds steht unter Hausarrest, muss eine elektronische Fußfessel tragen und wird wegen Fluchtgefahr rund um die Uhr von bewaffneten Sicherheitsbeamten überwacht.

Nachdem ihm eine Wohnung im eleganten Bristol Plaza verweigert worden war, kam Strauss-Kahn vorübergehend in einem umgebauten Bürogebäude am New Yorker Broadway in der Nähe von Ground Zero unter. Dabei hatte seine Frau, Anne Sinclair, das Penthouse mit Blick über Manhattan bereits für 14.000 Dollar (knapp 10.000 Euro) im Monat gemietet, berichtete die New York Times am Samstag. Das Bristol hätte einen Swimming Pool auf der Dachterrasse, täglich frische Handtücher und allerlei Service geboten. Womit Sinclair nicht gerechnet hatte, war die Reaktion der Nachbarn.

"Es ist einfach nicht richtig, ihn hier absteigen und unsere Gastfreundschaft genießen zu lassen, nach dem, was er sich der Anklage nach hat zuschulden kommen lassen", wurde eine Frau aus dem Bristol von der Zeitung zitiert. Ein besonderer Dorn im Auge war den Bewohnern der Medienrummel um den berühmt-berüchtigten Franzosen, der unter dem Druck der Ereignisse inzwischen sein Amt an der Spitze des IWF aufgegeben hat.

Auf Anordnung des Gerichts dürfen Strauss-Kahn und seine Frau nur vier Tage in der Übergangswohnung in Downtown Manhattan bleiben. Von dort haben sie den Blick auf die historische Trinity Kirche und ihren Friedhof, nur wenige Schritte von der Wall Street entfernt. Das Appartement ohne Room Service und Pool wurde dem Ehepaar von der Sicherheitsfirma zugewiesen, die die Verantwortung für seine Überwachung trägt. Für die Kosten muss der Angeklagte den US-Medienberichten zufolge selbst aufkommen: 200.000 Dollar (141.250 Euro) pro Monat.

Das Unternehmen hatte auch dafür gesorgt, dass der inzwischen zu 150 Jahren Haft verurteilte Millionenbetrüger Bernard Madoff während des Hausarrests vor seinem Prozess nicht Reißaus nahm. Strauss-Kahn darf diese und künftige Wohnungen in New York nur für Besuche beim Arzt oder den Gang zur Synagoge verlassen, eine Ausnahme bilden nur Konsultationen beim Gericht oder seinen Anwälten. Mindestens sechs Stunden vorher muss er anmelden, dass er die Wohnung verlassen will. Ursprünglich waren sogar 24 Stunden gefordert worden. Er musste zudem alle Reisedokumente abgeben, inklusive seines Diplomatenpasses von den Vereinten Nationen.

Seine Wohnung wird rund um die Uhr mit Videokameras überwacht, vor der Tür steht Tag und Nacht ein bewaffneter Sicherheitsbeamter. Wohin Strauss-Kahn auch geht, der Beamte folgt ihm auf Schritt und Tritt. Nur vier Menschen dürfen seine Wohnung ohne Genehmigung des Gerichts betreten, hieß es am Samstag in französischen Medien: Außer seiner Frau die beiden Anwälte und vermutlich die jüngste Tochter, Camille Strauss-Kahn, aus einer früheren Ehe. Sie wohnt in Manhattan.

Strauss-Kahn ist wegen der versuchten Vergewaltigung eines Zimmermädchens angeklagt. Er soll die 32-jährige Frau aus Westafrika in seiner Suite in einem Hotel am New Yorker Times Square überfallen und zu oralem Sex gezwungen haben. Der Franzose ist in sieben Punkten angeklagt und könnte für 25 und mehr Jahre hinter Gitter kommen. Er weist die Anschuldigungen zurück und hat den angeblich besten New Yorker Prozessanwalt, Benjamin Branfman, engagiert.

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