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IWF: Debatte um Strauss-Kahn-Nachfolge:Ein Spitzenamt für einen Deutschen? Och nö.

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Der neue IWF-Chef wird wohl kein Deutscher sein. Zwar ist die Bundesrepublik unterrepräsentiert, was internationale Spitzenposten angeht. Doch hierzulande verzichtet man gerne. Aus Bescheidenheit - und weil im Inland die steilere Karriere lockt.

Thorsten Denkler

Wenn demnächst der Nachfolger von Dominique Strauss-Kahn bestimmt wird, wird es wohl kein Deutscher sein. Erneut ein Franzose vielleicht. Oder ein Nichteuropäer. Nur ein Deutscher eben nicht. Wie so oft, wenn es um die Besetzung europäischer und internationaler Spitzenpositionen geht.

Es gab mal einen Nato-Generalsekretär Manfred Wörner. Und auch einen IWF-Chef Horst Köhler. Aber das ist auch schon einige Jahre her. Im Moment sind nur zwei Deutsche auf ranghohen Posten: Günther Oettinger als Energiekommissar in der Europäischen Kommission. Und Michael Steiner als Chef des Umweltprogramms UNEP der Vereinten Nationen in Nairobi.

Dabei gehört Deutschland als eines der wirtschaftsstärksten Länder der Erde zu den größten Geldgebern in allen wichtigen internationalen Institutionen. Gemessen daran verwundert es schon, dass es selbst unter die 42 Generaldirektoren der Europäischen Kommission nur sechs Deutsche geschafft haben. Die Briten haben sieben, die Franzosen ebenfalls sechs. Selbst die Italiener stellen immerhin noch fünf Generaldirektoren.

Beate Neuss, Politikwissenschaftlerinnen an der Technischen Universität Chemnitz, beobachtet seit Jahren, dass Deutschland - gemessen an seiner Bedeutung - unterrepräsentiert ist, wenn es um solche Spitzenpositionen geht.

Als Köhler im Jahr 2000 Chef des Internationalen Währungsfonds wurde, sei das außergewöhnlich gewesen. Als Köhler vier Jahre später Bundespräsident wurde, stieß das auf Unverständnis: Deutschland hatte eine machtvolle internationale Position aufgegeben, nur um Köhler zum Bundespräsidenten zu machen - ein hohes, aber lediglich repräsentatives Amt.

Für Neuss ist das symptomatisch: "Den Deutschen fehlt oft der globale Blick. Wenn überhaupt, dann denken und handeln wir europäisch."

So verwundert es nicht, dass für den IWF mit Finanzministerin Christine Lagarde eine französische Kandidatin ins Spiel gebracht wurde. Als ehemalige Kolonialmacht wissen die Franzosen um die Einflussmöglichkeiten, die der IWF auf die Politik in den einstigen Kolonien auf dem afrikanischen Kontinent hat.

Deutschland hätte überdies auch nur wenig geeignetes Personal zu bieten. Finanzminister Wolfgang Schäuble käme in Frage - oder sein Vorgänger Peer Steinbrück. Ersterer aber dürfte gesundheitlich kaum dazu in der Lage sein. Und wenn Kanzlerin Angela Merkel den SPD-Mann Steinbrück schickte, wäre der Aufstand in den eigenen Reihen programmiert.

Dann lieber - wie so oft - eben keinen Deutschen.

Ein wenig erklärt sich diese Zurückhaltung auch aus der Geschichte. Nach dem Ende der Nazidiktatur stand es Deutschland gut an, sich in Bescheidenheit zu üben. Spätestens aber nach der Wiedervereinigung gibt es dafür kaum noch Anlass.

Es scheint für deutsche Spitzenkräfte jedoch auch nicht sonderlich attraktiv zu sein, sich in Europa und der Welt auf einflussreiche Positionen zu bewerben. Allein die Geschichte deutscher Kommissare in Brüssel ist eine Geschichte der Abgeschobenen und Weggelobten. Kein deutscher Kommissar ist nach seiner europäischen Karriere noch irgendetwas geworden im Inland.

Es gibt für Deutsche auch kaum eine Notwendigkeit, sich in Europa oder der Welt für höhere Aufgaben im Inland zu qualifizieren. Dafür bietet das deutsche föderale System schon intern genug Posten und Pöstchen. Selbst eine Landesministerin wie Manuela Schwesig von der SPD kann es mit etwas Geschick zu bundespolitischer Prominenz bringen.

"In Frankreich sind Sie entweder in der Regierung oder Sie sind nichts", erklärt Neuss. Internationale Posten sind dort nicht Endstation, sondern Sprungbrett für wichtige nationale Aufgaben. Dominique Strauss-Kahn wurden gute Chancen eingeräumt, aus dem Amt des IWF-Chefs heraus Staatspräsident in Frankreich zu werden.

Einfacher wird es so nicht werden für Deutschland, international gehört zu werden. Die Schwellenländer drängen mit immer mehr Macht in hohe und höchste Ämter. Deutschland ist für viele dabei aus dem Blickfeld geraten. "Wir werden als nicht mehr so wichtig angesehen", sagt Rolf Mützenich, Experte für Außenpolitik in der SPD-Bundestagsfraktion.

Wenn er recht hat, ist das ein beunruhigender Befund.

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