Italiens Staatsverschuldung:EU empfiehlt Strafverfahren

Die Kommission bringt disziplinarische Maßnahmen auf den Weg. Sollte Rom die Ausgaben nicht senken, drohen Milliardenstrafen.

Von Matthias Kolb, Brüssel

Im Schuldenstreit mit Italien geht die EU-Kommission gegen die Regierung in Rom vor. Die Brüsseler Behörde leitete am Mittwoch den ersten Schritt ein und empfahl, ein Defizitverfahren in Gang zu setzen. Als wichtigsten Grund nannte Valdis Dombrovskis, der für den Euro zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, die übermäßige Schuldenlast Italiens. 2018 betrugen die Verpflichtungen des Landes 132,2 Prozent der Wirtschaftsleistung und lagen so über der Obergrenze von 60 Prozent, die der Stabilitäts- und Wachstumspakt vorschreibt.

"Italien zahlt heute für seinen Schuldendienst so viel wie für sein ganzes Bildungssystem", sagte Dombrovskis bei der Vorstellung des 22-seitigen Expertenberichts. Zudem sei zu erwarten, dass sowohl 2019 als auch 2020 die Schuldenquote weiter ansteige. Momentan hat Italien eine Pro-Kopf-Schuldenlast von 38 400 Euro; hinzu kommen pro Einwohner etwa 1000 Euro pro Jahr an Schuldenleistung wie Zinsen.

Italiens Premier Giuseppe Conte versprach, "bis zum Schluss die größtmöglichen Anstrengungen zu unternehmen", um ein Verfahren abzuwenden, das seinem Land sicherlich nicht gut tun werde. Der parteilose Conte hatte zu Wochenbeginn die Regierung aus Populisten der rechten Lega und der Partei Cinque Stelle gemahnt, die EU-Regeln einzuhalten und verantwortungsbewusster zu sein. In Brüssel gab sich Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici kompromissbereit: "Meine Tür ist offen. Wir können immer sprechen und zuhören." Für Verhandlungen sprach sich auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) aus. Schon 2018 sei das der richtige Weg gewesen, so Scholz zur Agentur Reuters: "So wird es jetzt wieder sein." Italiens Vizeministerpräsident Matteo Salvini wies die EU-Empfehlung zurück, er sei sicher, Brüssel werde "unseren Willen respektieren", sagte er am Mittwoch. Die Verschuldung lasse sich nur mit Steuersenkungen angehen und damit, "den Italienern zu erlauben, mehr und besser zu arbeiten". Die Empfehlung der EU-Kommission setzt einen mehrstufigen Prozess in Gang. Der Wirtschafts- und Finanzausschuss der Euro-Länder hat zwei Wochen Zeit, zu antworten, sagte Dombrovskis. Erfolgt kein Widerspruch, müssen die EU-Finanzminister zustimmen, was Anfang Juli sein könnte. Bis Ende Juli müsste die Kommission präsentieren, welche Sanktionen sie gegen Italien anwenden will. Als höchstmöglicher Betrag werden etwa 3,5 Milliarden Euro genannt. Sollten die Euro-Finanzminister dies gutheißen, müsste Rom bis Mitte Oktober darlegen, wie die Auflagen einzuhalten wären. Seit Euro-Einführung wurden keine Geldbußen verhängt. Das sich abzeichnende Strafverfahren gegen Italien überdeckte andere Empfehlungen der EU-Kommission, die sie jährlich für nachhaltiges und inklusives Wachstum in Europa vorlegt. Auch wenn die Wirtschaft in der EU seit sieben Jahren wachse und dies auch 2020 werde, besorgt Dombrovskis trotz Rekordtiefs bei der Arbeitslosigkeit die "Abschwächung der Reformdynamik". Er nannte vor allem Griechenland. Positive Nachrichten gibt es für Spanien: Die Kommission ist dafür, das Defizitverfahren einzustellen.

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