75. Geburtstag von Silvio Berlusconi:Ciao ciao statt Bunga bunga

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Der italienische Premier Silvio Berlusconi wird heute 75 - doch statt freudiger Überraschungen erwarten ihn neue Ermittlungen. Da mag der Cavaliere noch so tapfer lächeln: Angesichts der desaströsen Lage Italiens rebelliert fast das ganze Land gegen ihn, inklusive der eigenen Partei. Berlusconis Zeit neigt sich dem Ende entgegen.

Andrea Bachstein, Rom

"Sicher ist nur, dass ich einen beschissenen Geburtstag verbringe" - ein Jahr ist es her, dass Silvio Berlusconi dies am 29. September einem Abgeordneten geklagt haben soll. Dass Italiens sich gern ewig jung gebender Premier die Lage zu seinem 75. Geburtstag an diesem Donnerstag erfreulicher empfindet, ist unwahrscheinlich.

War sein Image schon damals ziemlich angeschlagen, ist es seither rapide verfallen. Das Wasser steht ihm und seiner Regierung bis zum Hals. Die unendlichen Sexaffären, vier laufende Prozesse, Konflikte in der Koalition sind ein Teil davon.

Vor allem aber hat der Wirbel der Schuldenkrise den Wortschleier zerfetzt, mit dem er seit drei Jahren die Ergebnislosigkeit seiner Politik zu kaschieren gesucht hat. Er ist zum Risikofaktor für Euro-Europa geworden, und als Geburtstagslied erklingt für ihn ein anschwellender Chor offener oder verbrämter Rücktrittsforderungen. Sie kommen von allen Seiten, nicht nur von den Gegnern links der Mitte, sondern auch von den Unternehmern und mitten aus seiner Partei.

Berlusconi, der als kaum beratungsfähig gilt, erklärte nur, er werde weitermachen. Eine Stimme ließ diese Woche besonders aufhorchen, die der Kirche. Ohne Berlusconi zu nennen, sprach der Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz von "Lebensweisen, die schwer in Einklang zu bringen sind mit der Würde von Personen, Ämtern und öffentlichem Leben".

Kardinal Angelo Bagnasco sagte: "Liederliches Verhalten und unangebrachte Beziehungen sind an sich negativ, und sie verursachen sozialen Schaden." Er verlangte: "Die Luft muss gereinigt werden, damit neue Generationen nicht vergiftet werden." Da soll vielen in Berlusconis Partei PDL die Luft weggeblieben sein. Dann beeilten sich einige zu sagen, der Kardinal habe niemand Bestimmten gemeint, sondern Politik generell, ja irgendwie alle Bürger.

Von denen haben die meisten das Spektakel Berlusconi satt. Auch den Macho, als der er gern kokettiert hat. Beschämt und angeekelt reagieren viele auf die Enthüllungen seiner Affären. Man erfährt, die angeheuerten Frauen, die er an seine Wohnsitze karren ließ, sollten tiefe Dekolletés tragen, aber keine hohen Absätze, "weil wir klein sind", und dass er sich brüstete, "ich habe nur acht geschafft" von elf gelieferten. Die Szenarien gleichen sich von der Affäre Bunga-Bunga bis zum Skandal um den Escort-Ring aus Bari.

Bei den Ermittlungen zeigt sich immer deutlicher, dass der mit geschätzten 7,8 Milliarden Euro reichste Mann Italiens all das nicht nur privat finanzierte, sondern um sich ein Netz von Korruption gesponnen hat. Und jede Vorsicht war vergessen, wenn es um Sex ging: Er wurde vermutlich erpresst von einem Beschaffer der Frauen. Aus Bari ist deshalb nun statt eines Geburtstagsgrußes die Nachricht gekommen, dass die Staatsanwälte auch dort gegen ihn ermitteln wollen: Er soll just den mutmaßlichen Erpresser zu Falschaussagen genötigt haben.

Italien: Berlusconi und die Frauen
:"Sie sehen alle gleich aus"

Italiens Premier Berlusconi ist wegen seiner "Leidenschaft" für junge Frauen wieder in Bedrängnis: Die Mailänder Justiz will ihn wegen Amtsmissbrauchs anklagen. Seine angeblichen Affären sind in Europa Dauerthema - und schaden dem Image Italiens im Ausland.

Die Bilder

Berlusconi will mindestens bis 2013 regieren, doch das Land ist seiner müde. Er selbst wirkt ausgebrannt, gealtert, auch wenn er mehr gefärbtes Haar auf dem Kopf hat als vor zehn Jahren. Verbissen klammert er sich an die Macht. Er weiß, er hat eine Basis seines Erfolgs verloren: sein Gespür für das, was die Leute wollen. Zusammen mit einem Mangel an Skrupeln war das seine Gabe als Unternehmer wie Politiker. 1994 hatte er so erstmals Wahlen gewonnen.

Berlusconi als Spottfigur: Die Italiener sind seiner längst überdrüssig. (Foto: Bloomberg)

Da wirkte er modern, versprach als Quereinsteiger den Neuanfang nach dem Zusammenbruch des korrupten Parteiensystems. Mit populistischen Formeln und volkstümlichem Witz begeisterte er vor allem weniger Gebildete. Er versprach Reformen und Taten, sein Unternehmererfolg galt als Ausweis seiner Fähigkeiten.

Weil er früher als andere das Potential des Privatfernsehens begriff, konnte er ein internationales Medienimperium schaffen. Mit seichten, bis dahin nie gesehenen frivolen Sendungen ließ er Italien überschwemmen. Sie prägen offenbar auch seinen Geschmack - was von seinen Vergnügungen bekannt ist, erinnert sehr an Fernsehshows der achtziger Jahre.

Berlusconis Sender haben Publikum, Kultur und Medien tief verändert. Mit sicherem Instinkt hat er sich so Reichtum und Einfluss auf die öffentliche Meinung geschaffen. Dass die sizilianische Mafia in seine Bauprojekte wie in seine Sender investiert hat, haben Mafiosi wiederholt behauptet. Mafiageruch hängt auch dem Aufbau seiner ersten Partei Forza Italia an, für den Berlusconis zweimal zu Gefängnis verurteilter Weggefährte Marcello dell'Utri in Sizilien sorgte. Ob und welche Zugeständnisse damals an die Mafia gemacht wurden, gehört zu den Geheimnissen der zweiten Republik.

Der Verdacht besteht, dass Berlusconi nur in die Politik ging, um seine Unternehmen zu retten und sich selbst vor juristischer Verfolgung. In seinen nun vier Amtsperioden sind jedenfalls Gesetze entstanden, von denen seine Firmen profitiert haben und die ihn vor Prozessen schützten.

© SZ vom 29.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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