Italiens Premier Berlusconi:Silvio, der Seriöse

Silvio Berlusconi wehrt sich gegen die Mailänder Staatsanwaltschaft, die ihm Prostitution Minderjähriger vorwirft: Er habe eine neue Freundin - und die würde solche Affären nie dulden. Nun rätselt Italien, wer die Frau an der Seite des Premiers ist.

Andrea Bachstein, Rom

Silvio Berlusconi ist auch in schwierigen Situationen für Überraschungen gut. Nun verblüfft Italiens Ministerpräsident mitten im brisanten Rubygate-Skandal das Land mit der per Video verbreiteten Mitteilung, er habe eine feste Freundin. Früher oder später wolle er sie präsentieren.

File photo of Italy's Prime Minister Berlusconi as he gestures during his final news conference of the year in Rome

Die Gegenattacke des Premiers: Berlusconi beschuldigt die Staatsanwaltschaft wieder einmal, nur aus politischer Motivation zu ermitteln. Affären gebe es bei ihm nicht - weil er seit einiger Zeit eine Freundin habe.

(Foto: REUTERS)

Selbstverständlich sind nun die Spekulationen in vollem Gang, wen er da wohl vorstellen will. Am Montag konnten die Medien niemanden finden, dem eine neue Beziehung Berlusconis nach der Trennung von seiner Frau aufgefallen wäre. Doch dann sagte eine junge Politikerin seiner Partei PDL einem Fernsehsender, sie kenne die Dame, sage aber keinen Namen. Zufällig ist diese junge Politikerin auch betroffen von den Ermittlungen, die Berlusconi jetzt so unter Druck setzen.

Eine große Unbekannte ins Spiel zu bringen, ist offensichtlich Teil der Verteidigungsoffensive, die Berlusconi in der Rubygate-Affäre entfaltet. Er will sich nun als Mann zeigen, in dessen Privatleben es seriöser zugeht, als es die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Mailand nahelegen. Die wirft ihm Prostitution Minderjähriger und Amtsmissbrauch vor. Drei seiner Vertrauten sind beschuldigt, einen Prostitutionsring organisiert zu haben, der mit Dutzenden Frauen für Stimmung im Hause Berlusconi sorgte. Die Staatsanwaltschaft spricht von einer "relevanten Anzahl" Frauen, die sich bei Berlusconi prostituiert haben.

Aus Abhörprotokollen beteiligter Frauen gehen weitere wenig staatsmännische Verhaltensweisen des Premiers hervor. All das ist auch deshalb gefährlich, weil in der letzten Woche das Verfassungsgericht ein Gesetz teilweise aufgehoben hat, das Regierungsmitglieder weitgehend vor Strafverfolgung schützte.

Schaden droht dem Premier auch ohne Prozess

Aus dem, was unter Berufung auf 300 Seiten Ermittlungsergebnisse veröffentlicht ist, geht hervor, dass es in der Villa des Premiers in Arcore gelegentlich eher zuging wie in einem Nachtklub oder einem Bordell. Und mehrmals war, da sind die Staatsanwälte sicher, zwischen Februar und Mai 2010 auch die damals 17-Jähriger Marokkanerin "Ruby" in Arcore. Auf die Prostitution Minderjähriger, beziehungsweise bezahlten Sex mit ihnen, stehen in Italien bis zu drei Jahre Haft.

Der Amtsmissbrauch wiederum könnte darin bestehen, dass Berlusconi letztes Jahr Polizisten dazu gedrängt hat, die wegen Diebstahls festgenommene, minderjährige Ruby vorschriftswidrig aus dem Gewahrsam zu entlassen. Abgesehen von der strafrechtlichen Relevanz der Vorwürfe ist Berlusconi zweifellos klar, was seinem Image und seiner Politik auch ohne Prozess drohen. Das Bild eines dekadenten 74-jährigen Tycoons, der Wagenladungen junger, womöglich auch minderjähriger Frauen aus dem Rotlichtmilieu oder den B- und C-Kadern der Showbranche liefern lässt, muss er zu konterkarieren versuchen.

Silvio, der Verfolgte

Vor den in Silber gerahmten Fotos seiner Enkel wandte sich der in einen staatsmännisch dunklen Anzug gekleidete Premier am Sonntagabend in einer Videobotschaft an seine Parteifreunde. Darin wies Silvio Berlusconi alle Vorwürfe zurück. Er beschuldigte, wie schon oft, die Staatsanwälte, ihn zu verfolgen. Außerdem sei seine Freundin bei den Abenden in Arcore dabei gewesen und hätte kaum geduldet, dass sich Unschickliches zugetragen habe.

Es sei "absurd, auch nur zu denken, ich könnte für Beziehungen mit einer Frau bezahlt haben. So etwas habe ich nicht ein einziges Mal in meinem Leben getan. Das würde ich als Herabsetzung meiner Würde empfinden." Dass Berlusconi persönlich Geld für gewisse Dienstleistungen übergeben hat, ist in der Tat nicht bekannt.

Dafür aber gibt es diverse Aussagen aus früheren Affären, dass Frauen für ihre Besuche mehrere hundert oder tausend Euro von Leuten aus Berlusconis Umgebung erhielten. In Erinnerung ist auch die sich zu ihrem Beruf bekennende Escort-Dame Patrizia D'Addario. Sie hatte mit ihrem Handy eine Unterhaltung aufgezeichnet, die sie mit Berlusconi in dessen Bett in seiner römischen Wohnung führte.

Deutlich hat der Mailänder Oberstaatsanwalt Edmundo Bruti Liberati am Montag auf die Anschuldigen des Regierungschefs gegen die Justiz reagiert: "Die Staatsanwaltschaft Mailand geht ihrer täglichen Arbeit in aller Sachlichkeit nach und hält dabei unerschütterlich fest an den Verfassungsprinzipien der Gleichheit aller vor dem Gesetz, der Pflicht zur Strafverfolgung und der Unschuldsvermutung", antwortete er.

Die Abgeordneten sind peinlich berührt

Unterdessen tun Berlusconis Anwälte Niccolò Gheddini und Piero Longo das Ihre. Einerseits weisen sie die Vorwürfe zurück. Sie versuchen aber auch, mit formalen Einwänden gegen die Vernehmung des Premiers zwischen 21. und 23. Januar und vor allem gegen eine Prozesseröffnung vorzugehen. So bestreiten sie die Zuständigkeit der Mailänder Staatsanwälte. Für einen Teil der Vorwürfe sei ein besonderes Gericht für Minister zuständig, für einen Teil das Gericht in Monza, wozu Arcore gehört.

Allerdings wohnten die fraglichen Frauen und die übrigen Beschuldigten in Mailand. Dort soll auch Geld für Besuche in Arcore geflossen sein, und Ruby wurde in Mailand festgenommen. Wie es weitergeht, entscheidet ein Gremium des Abgeordnetenhauses. Den Mitgliedern gingen am Montag die Ermittlungsakten zu. Sie sollen entscheiden, ob sie einem Antrag der Staatsanwälte stattgeben. Diese wollen in Mailand die Büros eines bei Berlusconis Unternehmen angestellten Finanzprüfers durchsuchen.

Der immer wieder als "Kassenwart" der Familie bezeichnete Giuseppe Spinnelli soll Teilnehmerinnen der Abende in Arcore ausgezahlt haben. Wie das Parlamentsgremium entscheidet, soll am Mittwoch feststehen. Einer der Abgeordneten soll am Montag gesagt haben, er sei nach Lektüre der Akten peinlich berührt.

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