Italiens Premier Berlusconi in Bedrängnis:"Die Regierung ist in Gefahr"

Im Streit um die Rentenreform verweigert der Koalitionspartner Lega Nord Italiens Premier die Gefolgschaft. Nun muss Berlusconi wohl mit leeren Händen zum EU-Gipfel nach Brüssel reisen, dabei pocht die EU auf schriftliche Reformzusagen. Italienische Medien spekulieren schon über das Ende der Regentschaft des Cavaliere.

Silvio Berlusconi ringt nach einer ergebnislosen Sondersitzung zur Schuldenkrise offenbar um seine Regierungsmehrheit. Um auf den massiven Druck aus Brüssel zu reagieren, hatte der innenpolitisch angeschlagene Ministerpräsident am Montagabend sein Kabinett zusammengetrommelt. Der Plan, einen Gesetzesentwurf zur Rentenreform zu verabschieden, scheiterte jedoch am Widerstand seines Koalitionspartners Lega Nord, die eine solche Reform strikt ablehnt.

Der Streit soll so dramatisch sein, dass Lega-Nord-Chef Umberto Bossi dem italienischen Premier nun indirekt mit einem Koalitionsbruch droht: "Die Regierung ist in Gefahr", sagte Bossi. Die Lage sei schwierig und sehr gefährlich. "Dies ist ein dramatischer Augenblick."

Die Idee einer von Experten gebildeten Übergangsregierung lehnte Bossi ab und brachte stattdessen Neuwahlen ins Gespräch. Italiens Präsident Giorgio Napolitano verlangte derweil glaubwürdige Vorschläge zum Abbau der hohen Staatsschulden und zur Förderung des Wachstums.

Am Dienstag sollte es - anders als zunächst berichtet - keine neue Sitzung mehr geben. Damit verzichte Berlusconi darauf, beim EU-Gipfel in Brüssel am Mittwoch das Dekret zur wirtschaftlichen Entwicklung oder auch nur einen Gesetzesentwurf zur Rentenreform zu präsentieren, kommentierte die renommierte Wirtschaftszeitung Il sole 24 ore am Dienstag.

Um seinen Kritikern nicht mit leeren Händen entgegenzutreten, könnte Berlusconi allerdings im kleinen Kreis ein "programmatisches Papier" verfassen, das etwa Verpflichtungen und Zeitpläne enthalten könnte, so das Blatt.

EU pocht auf schriftliche Zusagen Berlusconis

Die EU erhöht nun zusätzlich den Druck auf Italiens Premier: Die Europäische Kommission fordert schriftliche Reformzusagen ein. Berlusconi habe beim Gipfeltreffen am Sonntag EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy zugesagt, Informationen über künftige Wachstumsmaßnahmen seines Landes bis zum Folgetreffen am Mittwoch zu liefern. Das sagte Barrosos Sprecherin in Brüssel.

Der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn ergänzte, es gehe nicht darum, Italien zu demütigen. "Man muss sich aber an eine verstärkte Überwachung gewöhnen", fügte er hinzu. Das sei von allen Mitgliedstaaten und vom Europaparlament beschlossen worden.

Medien spekulieren über Berlusconis Ende

Andere Medien spekulierten erneut über ein mögliches Ende der Ära Berlusconi. Dieser habe am Vorabend seine Regierungsmannschaft offen um Unterstützung gebeten. Ohne eine Zusage der Lega Nord sei seine Reise nach Brüssel sinnlos. Schmeißt Berlusconi hin?

Am Wochenende hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy dem 75-Jährigen unmissverständlich klargemacht, dass Italien bis zum EU-Gipfel klare Perspektiven zu Wachstum und Sanierung aufzeigen muss. Berlusconi hatte die Schuldenschelte zurückgewiesen. Niemand innerhalb der EU könne den Partnern Lektionen erteilen.

Das Drängen Angela Merkels und Sarkozys war in italienischen Medien als Erniedrigung für den 75-Jährigen gewertet worden. Dennoch versprach Berlusconi vor der Kabinettssitzung, er werde dem EU-Gipfel am Mittwoch Vorschläge für einen Abbau der hohen Staatsverschuldung präsentieren.

Italiens hoher Schuldenstand von 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gilt als Schwachstelle in der Eurozone. Es gibt Befürchtungen, dass das Land den gesamten Währungsraum in Gefahr bringen könnte, wenn es der Regierung in Rom nicht gelingt, das Vertrauen der Finanzmärkte zurückzugewinnen.

Italien ist die drittgrößte Volkswirtschaft in der Eurozone. Das südeuropäische Land rückt wegen seiner Schulden und seiner stagnierenden Wirtschaft immer mehr ins Zentrum der Krise.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: