Süddeutsche Zeitung

Italiens neue Regierung:Renzis bester Mann

Der neue Regierungschef Renzi verspricht, Italien im Hauruckverfahren aus der Krise zu befreien. Die nötigen Reformen soll Pier Carlo Padoan umsetzen, Chef des Superressorts für Wirtschaft und Finanzen. Er ist anders als seine Vorgänger.

Ein Kommentar von Ulrike Sauer

Pier Carlo Padoan kam zu spät. Als der Römer am Samstag in seiner Heimatstadt landete, war die neue Regierung von Matteo Renzi schon vereidigt. Es konnte nicht anders sein, denn den wichtigsten Ressortchef in seinem Kabinett holte Italiens frisch ernannter Ministerpräsident vom anderen Ende der Erde, vom G 20-Treffen der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer im australischen Sydney.

Dort hatte Padoan den Finanzministern der wichtigsten Staaten der Welt den jüngsten Bericht der OECD vorgestellt, der Industrieländer-Organisation, der Padoan zuletzt als Chefvolkswirt diente. 23 000 Kilometer weiter hat er nun die Hauptrolle beim Versuch, Europas größtes und unbeweglichstes Krisenland aus dem Sumpf zu ziehen. Die Zeit ist der alles entscheidende Faktor des riskanten Unterfangens.

Mit Padoan musste der überaus selbstbewusste Renzi eine Ausnahme machen. Denn der Ökonom, mit 64 Jahren der Senior am Kabinettstisch, wurde dem kühnen Nachfolger von Enrico Letta in einer konzertierten Aktion vom italienischen Staatspräsidenten und den Zentralbankspitzen in Frankfurt und Rom aufgedrängt. Im Superressort für Wirtschaft und Finanzen liegt wegen seiner Machtfülle der Schlüssel zum Erfolg der neuen Regierung, die angetreten ist, Italien von dem Fluch zu befreien, seine Probleme partout nicht anzupacken. Seit Jahrzehnten geht das so - jetzt soll alles anders werden. Vieles hängt an Padoan.

Ökonomieprofessor mit politischer Sensibilität

Mit ihm übernimmt zwar der vierte Technokrat in Folge das Amt. Allerdings handelt es sich um einen Fachmann mit politischer Sensibilität. Der Ökonomieprofessor war ab 1998 im Regierungsamt als Berater für internationale Wirtschaftsfragen von linken Ministerpräsidenten tätig. Seine Positionen inspirierten sich damals an den Erfolgen von Tony Blair. 2001 entsandte ihn Italien für vier Jahre zum Weltwährungsfonds.

Politische Affinität kann heute durchaus ein Vorzug sein. Padoan muss weit mehr auf die Umsetzung seiner Wirtschaftspolitik achten, als das seine Vorgänger getan haben. Für den Finanzminister gilt wie fürs gesamte Renzi-Team: Ohne einen radikalen Personalwechsel in den hohen Ministerialbürokratien wird auch die entschlossenste Regierung keine Reformen durchsetzen. Noch heute hängen Dutzende Ausführungsbestimmungen für Gesetze fest, die bereits unter Mario Monti und Enrico Letta verabschiedet wurden. Die Absetzung der technokratischen Blockierer-Kaste wird damit zur ersten Kraftprobe des selbsternannten Verschrotters Renzi.

Dem international erfahrenen Padoan obliegt es, die Glaubwürdigkeit Italiens zu garantieren. In Brüssel und Berlin wird man sich auf einen geläuterten Austeritätsanhänger einstellen. Das Problem Italiens sieht er in der Kombination von hohem Schuldenstand und Wachstumsschwäche. Er zieht es heute vor, sich aufs Wachstum statt auf die Schulden zu konzentrieren. Sein Argument: Unter den OECD-Ländern habe Italien mit den geringsten Bedarf, durch höhere Einnahmen die Schuldenquote zu stabilisieren.

Kürzung der Staatsausgaben statt neue Schulden

Diese Linie deckt sich mit den Erwartungen der Finanzmärkte. Die Zinsen für italienische Staatsanleihen fielen am Montag unter 3,6 Prozent, ein Niveau, das sie zuletzt im Januar 2006 aufwiesen, weit vor der Schuldenkrise. Bleibt das Vertrauen intakt, spart Padoan drei Milliarden Euro Zinszahlungen im Jahr. Und wenn jemand Renzis Slogan "Weniger Austerität, mehr Wachstum" ein Gesicht verleihen kann, dann der linke Reformer Padoan. Der langjährige OECD-Vize-Generalsekretär korrigierte sein Eintreten für rigorose Spardiktate 2012. Es folgte der Schwenk zugunsten einer Politik der Wachstumsanreize. Finanziert werden dürften diese aber nicht mit neuen Schulden, sondern nur mit der Kürzung der Staatsausgaben. Priorität soll die Senkung der Einkommensteuern haben, weil sie am stärksten Wachstum und Beschäftigung fördert. Das ist purer Renzismus.

Um etwa die Sozialabgaben der italienischen Unternehmen auf deutsches Niveau zu drücken, sind Entlastungen in Höhe von 23 Milliarden Euro nötig. Renzi setzt auf Sofort-Reformen, um im Tausch in Brüssel eine Wende zu einer wachstumsorientierten Politik durchzusetzen. Als eine Schlüsselreform, die das Herz der Bürokraten in Brüssel erweichen soll, will er den verkrusteten Arbeitsmarkt öffnen.

Der Draufgänger aus Florenz versprach, den Schraubenzieher seines Vorgängers Letta wegzuwerfen und Italien im Hauruckverfahren von dem Bann zu befreien, der das Land zum Stillstand verdammt. Pier Carlo Padoan soll das leisten.

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SZ vom 25.02.2014/schä/rus
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