Süddeutsche Zeitung

Italiens neue Regierung:Duo Infernale

Lesezeit: 2 Min.

Die Chefs von Lega und Fünf-Sterne-Bewegung bestimmen nun, wie es mit Italien weitergeht. Das ist bedrohlich, auch für die EU.

Kommentar von Stefan Ulrich

Am Tag, an dem Matteo Salvini über die Zukunft seines Landes verhandelte, setzte er folgenden Tweet ab: "Die Nachrichten erinnern uns an die harte Realität, durch einen Immigranten, der am helllichten Tag mitten auf der Straße Tauben rupft. ... Ab nach Hause mit ihm!!!" Das war am Donnerstag, als sich Italiens neue Regierung bildete. Am Freitagnachmittag wurde der Chef der Rechtsaußen-Partei namens Lega als Innenminister vereidigt. Tatsächlich wird er noch mehr sein: der starke Mann in Rom, stärker als sein unerfahrener Koalitionspartner Luigi Di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung und stärker als der parteilose Premierminister Giuseppe Conte.

Wer glaubt, das Schlimmste in Italien sei erst einmal vorbei, weil Neuwahlen abgewendet wurden, der irrt. Salvini hat nichts gemein mit den freiheits- und europafreundlichen Politikern aller Couleur, die Italiens Nachkriegszeit prägten - von Alcide De Gasperi über Enrico Berlinguer und Giulio Andreotti bis hin zu Matteo Renzi und Paolo Gentiloni. Der clevere Hetzer erinnert vielmehr an ein anderes Italien. Die Hoffnung bleibt, dass er sich läutert an der Macht. Sehr wahrscheinlich ist es nicht. Denn Salvini, der Ungarns Premier Viktor Orbán zu seinem Vorbild erklärte, hat gelernt, dass Radikalität heute wieder sexy ist. Und dass Spalten mehr Stimmen bringt als Versöhnen. Was nicht nur für Italien gilt.

Der Lega-Chef wird nicht alleine regieren. Sein - den Stimmen nach größerer - Partner sind die Cinque Stelle. Auch sie liebäugeln mit Autokraten à la Wladimir Putin, praktizieren innerparteiliche Demokratie im Internet nach dem Daumen-rauf-Daumen-runter-Prinzip wie einst im römischen Zirkus und beweisen seit zwei Jahren im Rathaus von Rom, dass sie noch schlechter regieren können als die linken und rechten Altparteien.

Dennoch wäre es verkehrt, die beiden Koalitionäre und deren Wähler gleichzusetzen. Die Lega-Anhänger im Norden wollen vor allem keine Steuern zahlen an einen Staat, von dem sie nichts halten, und eine harte Hand gegen Einwanderer. Die Sterne-Anhänger, vorwiegend im Süden, agieren dagegen oft aus Verzweiflung. Sie haben es mit rechts versucht und mit links, doch nichts hat sich gebessert an ihrer Lage. Diese Melange aus kurzsichtigem Egoismus im Norden und lang erworbener Verzweiflung im Süden ist explosiv. Wenn auch die Geschichte lehrt, dass Wunder in Italien möglich sind. Sie sind den Italienern auch jetzt zu wünschen.

Doch wie soll die Außenwelt auf das Duo Infernale in Rom reagieren? Viele raten, sich nicht einzumischen und rügen Politiker wie den EU-Kommissar Günther Oettinger, der gesagt hat, Italiens Wähler sollten bedenken, dass die Populisten ihnen wirtschaftlich schadeten. Dabei hat Oettinger recht. Die EU-Staaten gleichen in Zeiten von Trump, Putin, Klimawandel, Massenflucht und einem totalitär-expansiven China einer Seilschaft, die durch extremes Gelände steigt. Da sollten die anderen mitreden, wenn sich einer in den Abgrund stürzen will. Und es zeugt gerade nicht von Respekt für die Italiener, wenn man sie wie gefährliche Irre behandelt, die man bloß nicht reizen darf.

Natürlich muss die EU versuchen, auch mit der Regierung Conte irgendwie vernünftig zusammenzuarbeiten. Und natürlich soll sie eigene Fehler überdenken. Ja, Italien wurde in der Flüchtlingskrise zu wenig unterstützt. Und, ja, Berlin und Brüssel haben in der Wirtschaftskrise vielleicht finanzpolitisch richtig gehandelt, europapolitisch aber auch falsch. Denn sie haben unterschätzt, wie die Not nicht nur Italien von der EU entfremdet hat.

Europa muss also Einfühlungsvermögen und Standfestigkeit zugleich beweisen. Die Italiener aber sollten sich eines Satzes ihres großen Präsidenten Sandro Pertini erinnern: "Versucht, euch eine politische Überzeugung zu bilden. Aber weist jene politischen Ideen zurück, die nicht die Idee der Freiheit voraussetzen. Sonst werdet ihr untergehen."

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Quelle:
SZ vom 02.06.2018
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