Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi:Ein Mann, viele Fettnäpfchen

Silvio Berlusconi bezeichnete seine Heimat einst als "Scheißland" und sorgte zuletzt mit einem peinlichen Holocaust-Vergleich für Empörung. Es war nicht das erste Mal, dass der Cavaliere mit peinlichen Sprüchen, seltsamen Ideen oder diplomatischen Patzern Schlagzeilen macht.

über Silvio Berlusconi

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Italiens ehemaliger Regierungschef Silvio Berlusconi hat seine Familie mit verfolgten Juden im Nationalsozialismus verglichen. "Meine Kinder sagen, sie fühlen sich wie jüdische Familien in Deutschland während des Hitler-Regimes. Wir haben wirklich alle gegen uns", sagte Berlusconi in einem Interviewband, aus dem italienische Medien vorab zitieren. Berlusconi antwortete damit auf die Frage, ob die Gerüchte wahr seien, dass seine Kinder ihn angesichts der laufenden Gerichtsprozesse und anhaltenden Kritik zum Auswandern überreden wollen. Der Ex-Premier denkt indessen nicht daran, Italienzu verlassen. "Ich bin zu 100 Prozent Italiener. Meine Wurzeln habe ich hier", sagte er. Es war nicht das erste Mal, dass der Cavaliere mit peinlichen Sprüchen, seltsamen Ideen oder diplomatischen Patzern Schlagzeilen macht.

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Am Telefon kann man ja eigentlich sagen, was man will - nur dumm, wenn man abgehört wird. In einem Telefonat erregte sich Silvio Berlusconi Anfang September 2011 darüber, dass er - quasi völlig grundlos - unter Beobachtung stehe. "Die können sagen, dass ich rumbumse, das ist auch das Einzige". Italien sei ein "Scheißland", das er bald verlassen werde. Als seine rüden Aussagen an die Öffentlichkeit dringen, versucht sich der "Cavaliere" in Schadensbegrenzung: "Das ist eine dieser Sachen, die man spät abends am Telefon so sagt, wohl in einem entspannten Augenblick und mit einem Lächeln", sagt er. Gleichwohl konstruiert er aus dem Vorfall sogleich einen Grund, doch in Italien zu bleiben: "Ich bleibe hier, um dieses Land zu verändern", lässt er wissen. Der italienische Regierungschef versucht schon seit langem, das verbreitete Abhören zu Ermittlungszwecken einzudämmen.

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"Wozu sollen wir Wissenschaftler bezahlen, wenn wir die schönsten Schuhe der Welt machen?", fragt sich Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Hä? Wie er darauf kommt: Staatliche Institutionen hatten sich beschwert, sie könnten wegen Kürzungen der Regierung die Gehälter ihrer Angestellten nicht mehr zahlen. Regierungschef Silvio Berlusconi nahm's locker.

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Auch gegenüber Gerichten beweist Berlusconi ein loses Mundwerk. Nachdem Italiens Verfassungsgericht dem Ministerpräsidenten seine Immunität aberkannte, beschimpfte Berlusconi die Verfassungsrichter aufs Ärgste. "Das Verfassungsgericht steht auf der Seite der Linken," wetterte der Ministerpräsident, gegen den nun voraussichtlich Verfahren wegen Bestechung und Steuerbetrugs wieder aufgenommen werden. Und er kündigte an, sich von dem Urteil nicht beirren zu lassen: "Ich werde weitermachen." Foto: AP; im Bild: Richter des italienischen Verfassungsgerichtes

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Doch mit der Beleidigung des Gerichtes war es noch nicht genug: Auch Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano stehe auf der Seite der Linken, wetterte Berlusconi weiter. Aus dem Präsidentenpalast kam eine scharfe Zurückweisung dieses Vorwurfs - auf die Berlusconi wiederum wenig staatsmännisch reagierte: Es interessiere ihn nicht, was der Staatschef erkläre. Foto: AFP

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Hand aufs Herz, ich war es nicht. Und wenn doch, dann war zumindest alles "unschuldig". Und überhaupt, die Fotos hätten nicht veröffentlicht werden dürfen. So reagierte der italienische Premier auf Paparazzi-Bilder von seinem Anwesen der Villa Certosa. Die Fotos sind äußerst pikant: Sie zeigen Szenen von Partys auf dem Anwesen, junge Frauen sind darauf oben ohne und im Tanga zu sehen. Der Skandal beherrschte monatelang die italienische Presse, auch weil ...

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... er direkt in den Rosenkrieg zwischen Silvio Berlusconi und seiner Frau Veronica Lario fiel. Im Frühjahr 2009 hatte der Ministerpräsident Schlagzeilen gemacht, als er zur Geburtstagsfeier der 18-jährigen Naomi Laetizia erschien. Italien rätselte anschließend über deren Verhältnis. Sie soll sogar ein Bild von ihm im Schrank stehen haben und ihn "Papi" nennen. Veronica Lario verkündete ihrem Mann daraufhin über die Medien die Scheidung.

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Nach dem schweren Erdbeben in der Region L'Aquila im April 2009 ließ Berlusconi wieder einmal jegliches Taktgefühl vermissen: Beim Besuch der zerstörten Orte verglich er die Unterbringung von obdachlos gewordenen Bewohnern mit einem Camping-Ausflug. Den Betroffenen, die bei der Erdbebenkatastrophe ihr Dach über den Kopf verloren hatten, riet er, sie sollten einfach an den Strand fahren. Die Regierung werde für die Hotelkosten aufkommen. Vor Journalisten sagte Berlusconi später, er habe einfach die Stimmung etwas auflockern und dem Pessimismus entgegenwirken wollen.

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Ein weiteres Mal in den Fettnapf trat Berlusconi beim G-20-Gipfel in London 2009, als er US-Präsident Barack Obama und Russlands Staatsoberhaupt Dmitrij Medwedjew von hinten umarmte. Bei einer weiteren Gelegenheit rief Berlusconi so laut "Mister Obama", dass Queen Elizabeth II. sich verstört umblickte.

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Während Italien nach einer Reihe brutaler Vergewaltigungen über besseren Schutz für Frauen diskutierte, erklärte Berlusconi, auch in einem Militär- und Polizeistaat sei so etwas nicht zu vermeiden: "Wir müssten so viele Soldaten haben, wie es in Italien schöne Frauen gibt." Gegen den prompten Sturm der Entrüstung verteidigte sich Berlusconi gewohnt lässig: Er habe das als Kompliment gemeint.

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Auch angesichts der Lage auf der Insel Lampedusa fiel der Regierungschef im Winter 2008/2009 eher unangenehm auf. Hunderte Migranten waren aus dem dortigen Flüchtlingslager ausgebrochen, um gegen die erbärmlichen Bedingungen ihrer Unterbringung zu protestieren. In Berlusconis Augen alles halb so schlimm: "Die auf der Insel ankommen, dürfen sich frei bewegen, es ist kein Konzentrationslager". Es stehe den Flüchtlingen jederzeit frei, ein Bier trinken zu gehen.

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Nach der Wahl Barack Obamas zum US-Präsidenten erklärte Berlusconi: "Wir wären gerne alle so gebräunt wie Naomi Campbell und Obama". In seinem Kompliment an Obama schwinge Neid mit, behauptete er vor Journalisten in Pescara an der Adria. Bereits einige Wochen zuvor hatte der Cavaliere Barack Obama bei einem Besuch in Moskau als "jung, ansehnlich und sogar gebräunt" beschrieben. Die entrüsteten Reaktionen von Italien bis Amerika waren absehbar - doch peinlich war Berlusconi sein Spruch keinesfalls. Er verteidigte seine Äußerung nachdrücklich als Kompliment - seinen Kritikern fehle offenbar der Sinn für Humor. Nicht bekannt ist, wie ihm die Retourkutsche eines Studenten in Rom gefiel: Der trug bei einer Demonstration gegen die Bildungspolitik der Regierung ein Plakat mit der Aufschrift "Besser gebräunt als ein kahlköpfiger Zwerg".

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Es soll Politiker geben, die es als ihre Aufgabe betrachten, ihr Land auf internationalem Parkett würdig zu vertreten. Silvio Berlusconi sieht derlei eher locker. So sprach sein Fauxpas bei einem informellen Treffen der EU-Außenminister im Februar 2002 in Caceres Bände. Beim Gruppenfoto ließ Berlusconi zwei Finger hinter dem Kopf des damaligen spanischen Außenministers Josep Pique hervorlugen - in Italien eine Geste für einen "gehörnten Ehemann".

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Auch daheim in Italien ist der Cavaliere seit eh und je gerne zu Scherzen aufgelegt. Im Wahlkampf erklärte er unter anderem - lange vor dem Skandal um angebliche Kontakte zu Prostituierten -, die Linken hätten "nicht einmal bei Frauen Geschmack - unsere Frauen sind einfach schöner als eure".

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Was sein eigenes Format betrifft, kennt Berlusconi keine Zweifel. Ob Gott, ob Heiliger oder auch nur Napoleon - der Vergleiche wird der Medienmogul nicht müde. Dass seine Gegner sich auf solche Aussprüche stürzten und ihn etwa bei Demonstrationen als Napoleon und Papst zugleich lächerlich zu machen suchten, bremste ihn nicht. Denn: "Ich bin der Jesus Christus der Politik, ein Opfer, ich bin geduldig und erleide alles, ich opfere mich für alle." (Berlusconi am 12. Februar 2006, zitiert von der Nachrichtenagentur Ansa).

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Ein anderer Spruch: "Ich gestehe es, wenn ich morgens in den Spiegel schaue, halte ich sehr viel von mir." (Berlusconi 1995 im Corriere della Sera). Unter solchen Umständen...

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... sind auch Details der Geschichte des eigenen Landes nicht so wichtig. 2003 bemerkte Berlusconi beim Nato-Gipfel in Italien, die Gründer der Stadt Rom seien "Romulus und Remulus" gewesen. Als man ihn darauf hinwies, dass es sich um Romulus und Remus handle, blieb Berlusconi souverän und erklärte später vor Reportern, dass sie von nun an so heißen sollten, weil es besser klinge. Im Bild: Sala della Lupa in den Kapitolinischen Museen

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Die Entgleisung, die sich der Italiener im Juli 2003 leistete, war dann weniger lustig, sondern sorgte europaweit für Erregung. Bei einer Debatte im EU-Parlament beschimpfte er den deutschen Abgeordneten Martin Schulz, der es gewagt hatte, Berlusconis Innenpolitik zu kritisieren, mit den Worten: "Herr Schulz, ich kenne einen Filmproduzenten in Italien, der einen Film über Konzentrationslager der Nazis macht. Ich werde Sie für die Rolle eines Kapos vorschlagen. Sie wären perfekt dafür."

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Auch mit einem anderen Vergleich machte sich Berlusconi - vor allem im Ausland - viele Feinde. Im Wahlkampf 2006 erklärte er, in Maos chinesischer Volksrepublik hätten die Kommunisten kleine Kinder zwar nicht gegessen, aber "gekocht, um damit die Felder zu düngen". Nach einem Sturm der Entrüstung räumte Berlusconi ein, die Bemerkung sei möglicherweise wenig geschmackvoll gewesen. Unter Berufung auf ein französisches "Schwarzbuch des Kommunismus" weigerte er sich jedoch, die Behauptung zurückzunehmen oder sich zu entschuldigen.

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Im Jahre 2005 verärgerte Berlusconi die finnische Regierung, als er damit prahlte, er habe bei der Präsidentin Tarja Halonen seine "Playboy-Künste" aufbieten müssen, um sie zum Einlenken beim Streit um die EU-Lebensmittelbehörde zu bewegen. Sein Credo: "Man muss alle Waffen einsetzen, die man zur Verfügung hat". Aus Protest gegen diese Äußerung wurde Italiens Botschafter ins Außenministerium von Helsinki einbestellt.

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Düster sehen nicht erst seit der Finanz- und Schuldenkrise viele Italiener ihrer Zukunft entgegen, doch Berlusconi weiß wie üblich Rat: In einer TV-Diskussion zum Thema Prekariat empfahl er 2008 einer Studentin, sich doch den "Sohn von Berlusconi oder einen anderen, der solche Probleme nicht hat", zu suchen - "mit einem so hübschen Lächeln könnten Sie sich das erlauben".

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Im April 2011 wurde Berlusconi wegen Begünstigung der Prostitution und wegen Sex mit einer Minderjährigen angeklagt. Er soll die damals17-jährige Marokkanerin Karima el Marough, die in den Medien als Ruby Rubacuori bekannt wurde, 13 Mal für Geschlechtsverkehr bezahlt haben. Berlusconi bestritt die Vorwürfe. Als immer mehr Details über nächtliche Feiern in seinen Villen bekannt wurden, erklärte Berlusconi: "Eine Leidenschaft für schöne junge Frauen ist besser als schwul zu sein."

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Nicht aber die schweren Vorwürfe, die vor Gericht gegen ihn erhoben werden, sondern die Überschuldung Italiens brachten Berlusconi ernsthaft in Bedrängnis. Eine Vertrauensfrage im Parlament im Dezember 2010 überstand er nur knapp. Vor der Abstimmung hatte Berlusconi die Abgeordneten vor die schwierige Wahl gestellt: "Ich oder die Krise"

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Im September 2011 tauchte ein neuer Sex-Skandal um den Ministerpräsidenten auf. Berlusconi soll sich auf Flügen von Prostituierten begleitet haben lassen. Die Mailänder Corriere della Sera veröffentlichte Protokolle aus abgehörten Telefonaten Berlusconis. In einem Telefonat mit einer Tänzerin aus der Dominikanischen Republik entschuldigt sich Berlusconi, dass er nicht mehr Zeit mit ihr verbringen könne: "Weißt du, Marysthell, in meiner Freizeit gebe ich den Regierungschef".

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Im November 2011 scheint das Ende der Ära Berlusconi tatsächlich gekommen: Der aufgrund der Schuldenkrise schwer unter Druck geratene Premier erklärt, er sei zum Rückzug bereit. Nach 17 Jahren scheint der Abschied von der Macht für Berlusconi gekommen.

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