"Sehr zufrieden" zeigt sich Sandro Gozi mit dem EU-Gipfel vom vergangenen Donnerstag und Freitag. Wenn der energische Europa-Staatssekretär der italienischen Regierung den Ausgang des Treffens so positiv sieht, dann liegt das daran, dass unmittelbar vor Beginn der italienischen EU-Ratspräsidentschaft am 1. Juli in Brüssel die Weichen in die von Rom erhoffte Richtung gestellt worden sind.
Der sozialdemokratische Premier Matteo Renzi und Gozi dürfen sich in den strategischen Zielen bestätigt sehen, die sie seit Monaten vorgeben. "Ein neuer politischer Zyklus" habe jetzt begonnen, sagt der 48-jährige Gozi, der ein Überzeugungseuropäer und EU-Experte ist. Er war Mitarbeiter des früheren Kommissionspräsidenten Romano Prodi und Berater von dessen Nachfolger José Manuel Barroso.
Der Staatssekretär - einen Europa-Minister gibt es in Rom aus Kostengründen derzeit nicht - erläutert die italienischen Pläne fast wortgleich wie sein Regierungschef. Die wichtigste Forderung ist: Weg vom reinen Sparkurs, hin zu einer Politik, die Wirtschaftswachstum und Beschäftigung fördert. Beides hat Italien dringend nötig. Mehr Flexibilität unter Wahrung der Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts: Darüber haben sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Renzi nach einigem Dissens verständigt. Und so haben es die Staats- und Regierungschefs in Brüssel gutgeheißen.
Gemeinsamer Energiemarkt, gemeinsame Flüchtlingspolitik
Italien will, dass die EU neue Finanzinstrumente entwickelt, um Geld für gemeinsame Investitionen zu gewinnen, sagt Gozi. "Project Bonds" nennt er als ein Modell. Seine Regierung hätte gern, dass solche Investitionen nicht in die Berechnung der Neuverschuldung einfließen. Arbeitsplätze zu schaffen, ist eines der wichtigsten Elemente bei dem, was sich Renzi und Gozi vorgenommen haben als übergeordnetes, vielleicht ehrgeizigstes Projekt, das Italiens Ratspräsidentschaft anstoßen soll: Sie will die EU näher zu den Menschen bringen, und das nicht nur durch weniger Bürokratie. Die Bürger sollen merken, dass Europa ihnen nützt. Die Gemeinschaft soll sich nicht mehr vor allem über Finanzen definieren.
Renzis Renaissance - Kommentar von Stefan Ulrich
Einen gemeinsamen Energiemarkt haben die Italiener weit vorne auf ihrer Agenda, und eng verbunden damit die Klima-Politik. Aber auch Grundrechte sollen wieder mehr ins Zentrum rücken. Gozi meint, es brauche etwas Rückbesinnung auf den Geist der Gemeinschaftsgründer. Eine gemeinsame Migrationspolitik nennt er als weitere italienische Priorität, nicht zuletzt deren humanitäre Aspekte. Auch das ist ein Thema, das Italien besonders betrifft wegen der Flüchtlinge, die übers Mittelmeer ins Land gelangen.