Italien:In Rom beginnt die Woche der Entscheidung

Giuseppe Conte

"Es geht nicht um Personen, sondern um Programme": Italiens Noch-Ministerpräsident Giuseppe Conte beim G-7-Gipfel in Biarritz.

(Foto: AP)
  • Nach dem von Lega-Chef Salvini initiierten Koalitionsbruch wird in Rom verhandelt, wer ein neues Kabinett aus Fünf Sternen und Sozialdemokraten anführen könnte.
  • Staatschef Mattarella verlangt, dass die Personalfrage bis spätestens Mittwoch geklärt sein müsse - sonst werde es Neuwahlen geben.
  • Darauf hofft die Lega, die durch den Coup Neuwahlen provozieren wollte, um ihre Machtposition weiter auszubauen.

Von Oliver Meiler, Rom

In den Verhandlungen über eine neue italienische Regierungskoalition haben sich am Wochenende alle Diskussionen um die Frage gedreht, wer ein Kabinett aus Fünf Sterne und Sozialdemokraten anführen würde. Die Fünf Sterne haben das Vorschlagsrecht, weil sie im Parlament ungefähr über doppelt so viele Stimmen verfügen als die Sozialdemokraten. Sie bestehen auf der Bestätigung des bisherigen Premiers, Giuseppe Conte, wenigstens öffentlich. Die Sozialdemokraten fordern "Diskontinuität", also einen klaren Bruch mit der populistischen Vorgängerregierung, inhaltlich wie personell.

Am Rande des G-7-Gipfels in Biarritz äußerte sich nun Conte erstmals persönlich zu der Frage. "Es geht nicht um Personen, sondern um Programme", sagte er. Gemeint war damit wohl einerseits, dass er durchaus auf seinen Posten als Premier verzichten könnte, und andererseits, dass eine politische Wende auch mit ihm möglich wäre, so man sich auf ein neues Regierungsprogramm einigt. Dann fügte er einen Satz hinzu, der in Italien für viele Schlagzeilen sorgte: "Die politische Zeit mit der Lega ist abgeschlossen, die kann sich nie wieder öffnen."

Die Worte galten jener Minderheit in seiner Partei und an der Basis, die trotz des Bündnisbruchs von Matteo Salvini auch in Zukunft mit der Rechten regieren möchte. Sie wird heftig umgarnt: Seit Tagen sendet der Lega-Chef Signale aus, dass er gerne weitermachen würde. Offenbar bereut er seinen Coup mit der Regierungskrise, da absehbar wird, dass er damit keine baldigen Neuwahlen erzwingen kann. In seiner Verzweiflung soll er dem anderen Vizepremier der alten Regierung, Luigi Di Maio, angeboten haben, Premier zu werden.

Doch wer entscheidet bei den Fünf Sternen? Ist es Beppe Grillo, der Gründer und Garant der Bewegung? Er ist plötzlich wieder sehr präsent und stellte sich hinter Conte. Oder soll die Frage nach der passenden Koalition der Basis in einer Abstimmung auf "Rousseau" unterbreitet werden, der Internetplattform der Partei?

Premierminister Conte hat definitiv mit Salvini abgeschlossen

Dass Conte, der den Sternen nur nahesteht, aber kein registriertes Mitglied ist, definitiv mit Salvini abgeschlossen hat, machte er vergangene Woche deutlich. In seiner Rede im Senat hatte er nur noch vernichtende Worte übrig für den Ex-Regierungspartner. Bei Di Maio, dem "Capo politico" der Partei, ist das anders. Der ist besorgt, dass er seine Macht ganz verlieren könnte und hielt deshalb den Kanal zur Lega offen. Zumal die Sozialdemokraten seinen direkten, parteiinternen Rivalen als Premier vorziehen würden: Der Neapolitaner Roberto Fico, Präsident der Abgeordnetenkammer, ist ein linker Stern. Er hat sich 2018 von der harten Migrationspolitik der Lega distanziert und damit den Ärger Di Maios auf sich gezogen. Eine Berufung Ficos wäre ein Zeichen der "Diskontinuität".

Im Notfall könnten sich die beiden Parteien auch auf eine unabhängige dritte Figur einigen. Viel Zeit bleibt jedoch nicht. Bereits am Dienstag beginnt im Palast des Staatspräsidenten die zweite Sondierungsrunde, am Mittwoch sind die großen Parteien dran, spätestens bis dann muss die Personalfrage geklärt sein. Ansonsten, so ließ es Staatschef Sergio Mattarella alle wissen, werde es bald Neuwahlen geben. Seine Eile begründete er damit, dass Italien in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten und vor den großen Weichenstellungen in der Europäischen Union dringend politische Klarheit brauche.

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