Süddeutsche Zeitung

Italien:Wie im Spaghetti-Western

Fünf-Sterne-Gründer Beppo Grillo meldet sich wieder - und keilt gegen Lega-Innenminister Matteo Salvini.

Von Oliver Meiler, Rom

Beinahe hätten die Italiener Beppe Grillo vergessen. Er war so lange aus allen politischen Debatten und Dramen verschwunden, dass einige Zeitungen schon eine beliebte Rubrik schalteten: "Was eigentlich macht ... Beppe Grillo?" Der Gründer der Regierungspartei Cinque Stelle, mittlerweile 70, widmet sich wieder seinem herkömmlichen Beruf, der Komik, und tourt mit zwei abendfüllenden Programmen durchs Land: "Grillo vs. Grillo" und "Insomnia". Manchmal pfeifen sie ihn aus, weil er eben doch noch immer für die Fünf Sterne steht. Grillo ist ihr "Garant". Wenn er wollte, könnte er den "Capo politico" der Partei, Luigi Di Maio, einfach rauswerfen. So steht es in den Statuten.

Nun meldet sich Grillo plötzlich zurück, mit einem langen Interview in 7, dem Wochenmagazin des Corriere della Sera. Er spricht da über seine Rolle am Rande und die Pfiffe. Vor allem aber teilt er seine Meinung über Matteo Salvini mit, den Innenminister und Vizepremier von der rechten Lega, mit dem die Seinen regieren. "Der hat Ideen, wie man sie aus Dialogen von Spaghetti-Western kennt." Nicht auszudenken, sagt Grillo, wie es wäre, wenn er sich jeden Tag mit ihm rumschlagen müsste. "Ich würde Salvini Tritte verpassen, damit er seine Arbeit im Viminale verrichtet", sagte Grillo und feuerte damit eine Polemik an.

Viminale, so heißt einer der sieben Hügel Roms, und weil da oben der Palazzo des Innenministeriums steht, ist "Viminale" auch ein Synonym für das Ministerium. Salvini, so ergab eine Recherche von La Repubblica, hat im laufenden Jahr nur 17 Mal den ganzen Tag in seinem Büro im Viminale verbracht, 22 Mal schaute er kurz vorbei. Die restlichen Tage war er draußen im Land, hauptsächlich auf informellen Terminen und Parteiveranstaltungen. Mehr als 220 solcher Auftritte zählte die Zeitung. An gewissen Tagen reihte Salvini vier, fünf Parteianlässe aneinander: Wahlkampfrede auf der Piazza, Bad in der Menge, Selfies mit den Anhängern.

Repubblica fand auch heraus, dass er dafür mindestens 20 Mal Flugzeuge der Polizei benutzte, zweimotorige Maschinen des Typs Piaggio P-180. Man nennt sie "Ferraris der Lüfte", die Sitze sind aus feinem weißen Leder gefertigt. Salvinis Entourage lässt ausrichten, der Minister müsse ein striktes Sicherheitsprotokoll befolgen und sei überdies jedes Mal zu offiziellen Terminen geflogen. Das stimmt, ist aber offenbar nur die halbe Wahrheit. Die Regierungsgeschäfte waren stets so angesetzt, dass sie den Parteiinteressen dienten. Oder umgekehrt. Für die Kosten kam aber immer der italienische Steuerzahler auf. Der römische Rechnungshof hat dazu nun eine Ermittlung eröffnet.

Kritik am "Capitano volante", dem fliegenden Kapitän, wie Salvini jetzt auch genannt wird, gibt es von allen Seiten, auch aus der eigenen Regierung. "Ich, für meinen Teil, buche immer Linienflüge von Alitalia", sagte etwa der Kollege Vizepremier Di Maio. Da bleibe nicht viel Zeit für Randprogramme. Salvini fühlt sich unfair behandelt. In 20 Jahren sei kein Politiker so hart angegriffen worden wie er. Grillo legt er nahe, er möge doch bitte schön bei der Komik bleiben. "Die Tritte kannst du dir für einen anderen aufsparen." Gemeint war wohl Di Maio.

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SZ vom 18.05.2019
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