Süddeutsche Zeitung

Italien:Wie einst Mussolinis Schergen

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Eine faschistisch anmutende Bürgerwehr will in Italiens Städten die Kriminalität bekämpfen. Kritiker befürchten, dass so unkontrollierbare Aktionen von Mafia-Gruppen und überspannten Bürgern legitimiert werden.

S. Ulrich

Der Aufzug der "Italienischen Nationalgarde" weckt den Verdacht: Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten faschistischen Schlägertrupps sind weder zufällig noch unbeabsichtigt. Die selbsternannten Ordnungshüter tragen Springerstiefel, Khaki-Hemden und schwarze Krawatten - Schwarz war die Farbe des "Ventennio", der zwanzigjährigen Diktatur Benito Mussolinis.

Auf den schwarzen Armbinden der "Nationalgardisten" prangt die Schwarze Sonne, ein Erkennungszeichen unter Rechtsextremisten. Von den Uniformmützen leuchtet ein goldener Reichsadler. Mehr als 2000 Mann hat die Truppe nach eigenen Angaben bereits in ihren Reihen. Sie wollen in ganz Italien auf den Straßen patrouillieren, sobald ein Gesetz der Regierung Berlusconi in Kraft tritt, das Bürgerstreifen zur Unterstützung der Polizei erlaubt.

Die Nationalgardisten versichern, sie seien nicht faschistisch, sondern unpolitisch. Doch wie es der Zufall will, wurde die Truppe am Wochenende bei einem Kongress der neofaschistischen Partei MSI in Mailand vorgestellt. Zufällig gewählt sind demnach auch die Symbole; die Gardisten behaupten, sie dienten bloß dazu, sie als Streife kenntlich zu machen. Und purer Zufall müsste es sein, dass die Nationalgarde von dem Neofaschisten Gaetano Saya initiiert wurde. Doch an so viel Zufall glaubt keiner.

Saya, der schnauzbärtige Führer des MSI und Gründer des neuen Partito Nazionalista Italiano, sagt über seine Gardisten: "Das Modell sind die antiken römischen Legionen. Heute geht es darum, die Straßen unserer Städte vom Unrat zu säubern, der vor allem von Nicht-Italienern dorthin gebracht wird."

Faschistische Gruppen, Geheimlogen, sinistre Sicherheitsdienste

Bei anderer Gelegenheit forderte der 53-jährige Enkel eines Mussolini-Kämpen "alle Einwanderer auszuweisen. Sie sind eine Gefahr für die Reinheit unserer Rasse". Saya ist seit langem berüchtigt wegen seiner Vorliebe für faschistische Gruppen, Geheimlogen, sinistre Sicherheitsdienste und andere Blüten, die der schwarze Sumpf Italiens hervorbringt.

Die Staatsanwaltschaft Mailand hat nun sofort eine Untersuchung gegen Sayas Garde angeordnet und prüft, ob die Truppe darauf hinwirkt, die faschistische Diktatur wiederzuerrichten. Polizeigewerkschafter und Oppositionspolitiker warnen, die Bildung der "Nationalgarde" bestätige alle Befürchtungen hinsichtlich des neuen Gesetzes über die Bürger-Patrouillen.

Die umstrittenen, von Innenminister Roberto Maroni verfochtenen Vorschriften wurden bereits vom Abgeordnetenhaus in Rom gebilligt und benötigen nur noch die Zustimmung des Senats. Sie sehen vor, dass künftig unbewaffnete Bürger unter Befehl der örtlichen Polizei Patrouille gehen, um Gefahren und Missstände anzuzeigen.

Der politische Hintergrund: Die Rechtskoalition Silvio Berlusconis punktete im Wahlkampf vor gut einem Jahr mit dem Thema innere Sicherheit. Sie griff das Unsicherheitsgefühl der Bürger in den Großstädten auf und kritisierte durchaus zu Recht, linke Regierungen im Land und in den Städten hätten das Kriminalitätsproblem vernachlässigt.

Ins Amt gewählt, fehlt der Regierung Berlusconi jetzt aber das Geld, Polizei und Justiz zu stärken. Die Regierung hat sogar Haushaltsmittel gestrichen und so die Not an Menschen und Material bei den Ordnungsbehörden vergrößert. Da kam die Idee mit den Bürgerstreifen gerade recht, um den Eindruck zu erwecken, man bekämpfe energisch die Kriminalität.

"Streifen-Fieber"

Kritiker bemängeln, so werde das Gewaltmonopol des Staates ausgehöhlt. Wichtigtuer, Denunzianten und Extremisten würden ermutigt, als Ordnungshüter aufzutrumpfen; die Parteien könnten versucht sein, eigene Sicherheitsdienste aufbauen. Zwar betont Innenminister Maroni, genau das werde nicht geschehen, da die Freiwilligen-Trupps strikt unpolitisch und ohne parteipolitische oder ideologische Kennzeichen unter Anleitung der Polizei auftreten müssten. Das Entstehen der "Nationalgarde" zeigt aber, dass die Sorgen berechtigt sind.

Vor einem "Streifen-Fieber" warnt auch die zu Berlusconis Mediengruppe gehörende Zeitung Il Giornale: "Es besteht kein Bedarf, die Bürgersteige mit jungen Euphorikern und alten Nostalgikern zu verstopfen." Der christdemokratische Senator Gianpiero D'Alia fordert, Bürgertrupps zu verbieten. "Ob sie schwarz, rot oder grün sind - die Streifen sind eine Kapitulation des Staates und eine Gefahr für die Bürger."

Besonders skeptisch zeigen sich die Polizeigewerkschaften. Statt entlastet zu werden, müssten sich Polizei und Justiz nun auch noch mit Gruppen wie der Nationalgarde befassen. Die Vereinigung der Polizeibeamten befürchtet Unsicherheit statt Sicherheit: "Wir riskieren es, unkontrollierbare Aktionen von Mafia-Gruppen und überspannten Bürgern zu legitimieren."

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SZ vom 16.06.2009/segi
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