Italien:P3 - eine Geheimloge greift nach der Macht

Abhörprotokolle bringen Unglaubliches ans Licht: Ein Geheimbund korrupter Politiker, Richter und Unternehmer wollte Italien bis in die höchsten Ebenen unterwandern.

Andrea Bachstein

Die jüngste Affäre um einen korrupten Geheimbund hat in Italien Wirbel in Politik und Justiz ausgelöst. Mehrere Männer, die Regierungschef Silvio Berlusconi nahestehen, sind unter Verdacht, der Geheimloge mit dem Namen "P3" anzugehören.

Italienische Flagge Italien

Bereits in den siebziger Jahren gab es eine Geheimloge, die Italien kontrollieren wollte.

(Foto: iStock)

Gerade zurückgetreten ist in dem Zusammenhang der Wirtschaftsstaatssekretär Nicola Cosentino. Italiens oberster Mafia-Ermittler, Piero Grasso, sagte der Zeitung La Repubblica: "Die Korruption scheint heute dem Erhalt eines kriminellen Netzes zu dienen, in dem es einen derart komplizierten Austausch von Gegenleistungen gibt, dass er nicht in unsere juristischen Modelle passt."

Auf den P3-Skandal scheint dies besonders zuzutreffen. Was aus den 15.000 Seiten Abhörprotokollen der Carabinieri bekannt wurde, weist auf weit mehr als Bestechung hin.

Es sieht so aus, als habe ein Kreis von Politikern, Unternehmern mit Mafia-Verbindungen und hohen Richtern versucht, Einfluss zu nehmen auf Regionalwahlen, Richterbesetzungen und sogar das Verfassungsgericht.

Geheimlogen haben Tradition

Die Staatsanwaltschaft in Rom ermittelt wegen "Bildung einer geheimen Vereinigung mit dem Ziel, Verfassungsorgane zu beeinflussen". Dieses Delikt war formuliert worden zum Verbot der berüchtigten Geheimloge Propaganda Due (P2) - daher der Begriff P3 für die neue Affäre. P2 hatte vor allem in den siebziger Jahren in Italien Politik, Militär, Geheimdienste und Banken unterwandert und mit der Mafia kooperiert.

Unter denen, die jetzt direkt oder als Helfer zu P3 gehören sollen, sind außer Ex-Staatssekretär Cosentino der nationale Koordinator der Regierungspartei PDL, Denis Verdini, und der wegen Mafia-Beihilfe zweimal zu Haft verurteilte PDL-Senator Marcello Dell'Utri. Justizstaatssekretär Giacomo Caliendo soll mit dem Kreis ebenso kooperiert haben wie der oberste Richter-Kontrolleur im Justizministerium, Arcibaldo Miller. Alle bestreiten die Vorwürfe.

Ebenso unter Verdacht steht der Unternehmer Flavio Carboni, bei dem die Ermittlungen ihren Anfang nahmen. Er sitzt trotz seiner 78 Jahre und einer Herzerkrankung in U-Haft. Bereits gut zwei Dutzend Ermittlungsverfahren oder Anklagen hat er hinter sich.

Verurteilt wurde er nur wegen seiner Rolle beim Zusammenbruch der Bank Ambrosiana, die Geldwäsche für P2 betrieb. Zudem stand er wegen Beteiligung am Mord an Ambrosiana-Chefs Roberto Calvi vor Gericht.

Verfassungsrichter im Visier

Laut der neuen Ermittlungen wollte Carboni mit Bestechung und Druck auf die Regionalregierung Sardiniens erreichen, dass er dort in Naturschutzgebieten Windkraftanlagen bauen kann.

Auch plante er Hotel-Casinos, in denen, wie vermutet wird, Mafiageld gewaschen werden sollte.Bei der Untersuchung dieser Vorhaben stieß die Polizei auf weitere mutmaßliche Aktivitäten von P3.

Eine sollte im Herbst 2009 das Immunitätsgesetz retten. Besonders Berlusconi brauchte dessen Schutz, um Prozessen zu entgehen. Den Ermittlungen zufolge versuchte der Zirkel um Verdini und Carboni mit Hilfe des inzwischen pensionierten Chefanklägers des Kassationsgerichts auf Verfassungsrichter einzuwirken.

Die höchsten Richter kippten das Gesetz jedoch. Gelungen zu sein scheint jedoch der P3-Plan, ihren Favoriten in Mailand als Vorsitzenden des Oberlandesgerichts zu platzieren.

Der im Februar installierte Alfonso Marra soll dann darauf eingewirkt haben, dass eine zweifelhafte PDL-Liste zur Regionalwahl in der Lombardei zugelassen wurde. Dazu wird an diesem Montag der Regionspräsident vernommen. Mit Marra befasst sich der oberste Richterrat.

Anklage gegen Mafia-Verdächtigen verhindert?

Der P3-Zirkel soll auch für den Ex-Staatssekretär Cosentino tätig geworden sein. Cosentino wollte für die PDL im März Regionspräsident von Kampanien werden. Seine Kandidatur kam jedoch nicht zustande, weil er unter Mafia-Verdacht stand, und die Staatsanwaltschaft beschloss, ihn festzunehmen.

Über Verbindungen zu hohen Richtern soll der P3-Zirkel aber erreicht haben, dass Cosentino nicht in Haft kam. Außerdem ist P3 offenbar Urheber eines Schmutzdossiers, das den statt Cosentino aufgestellten PDL-Kandidaten in Kampanien diffamieren sollte.

In ihren Telefonaten erwähnen die Mitglieder des Zirkels den Veröffentlichungen nach immer wieder einen "Cesare". Es wird spekuliert, dieser Cäsar sei Berlusconi. Dessen Anwalt sagt dazu, diese Verbindung sei lächerlich, Berlusconi habe von alldem nichts gewusst. Dennoch verstärkt die Affäre die Konflikte im Regierungslager.

Berlusconi hat Cosentino für unschuldig erklärt und hält an dem auch anderweitig belasteten Parteikoordinator Verdini fest. Das verärgert den PDL-Flügel um den Abgeordnetenpräsidenten Gianfranco Fini. Die "Finiani" vertreten die Linie, dass Leute unter schwerem Verdacht in Regierung und Parteispitze nichts zu suchen haben.

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