Italien vor Regionalwahl:"In drei Jahren besiegen wir den Krebs"

Große Versprechungen: Mit zweifelhaftem Populismus mobilisiert Italiens Premier Berlusconi vor der Regionalwahl seine Anhänger.

Andrea Bachstein, Rom

Steuersenkungen, neue Fahrradwege - als Silvio Berlusconi jüngst in Rom vor Anhängern seiner Partei Popolo della Libertà (PDL) auftrat, sparte er nicht mit populistischen Versprechen. "Und in drei Jahren werden wir auch den Krebs besiegen", versicherte er seinen Wählern sogar.

Eine mutige Zusage, aber schließlich sind am Sonntag und Montag in 13 der 20 Regionen des Landes mehr als 44 Millionen Bürger zu Wahlen aufgerufen. Zudem werden die Verwaltungen von vier Provinzen (Landkreisen) sowie 463 Kommunen gewählt, darunter Venedig.

Die Regionen entsprechen in etwa den deutschen Bundesländern, haben jedoch keine Vertretung in der nationalen Politik. Im Wesentlichen stehen sich die Wahlbündnisse der Mitte-links- und der Mitte-rechts-Parteien gegenüber.

Partito Democratico: Hoffnung der Opposition

Unter ihnen ist die größte Kraft die PDL von Ministerpräsident Berlusconi. Vor allem im Norden des Landes spielt aber die mit ihm verbündete Lega Nord eine wichtige Rolle. Teilweise kandidiert die PDL auch mit der postfaschistischen Partei Die Rechte. Mitte-rechts regiert derzeit nur in zwei der 13 Regionen.

Stärkster Faktor der Mitte-links-Gruppierungen ist die größte Oppositionspartei, die Partito Democratico (PD). Sie tritt in verschiedenen Bündnissen an, unter anderem mit der Partei Italia dei Valori und den Grünen. Die christlich-bürgerliche Partei UDC kooperiert in vier Regionen mit Mitte-links, in dreien mit Mitte-rechts.

Silvio Berlusconi, der sich gern auf die breite Zustimmung des Volkes beruft, hofft auf ein positives Signal für die restlichen drei Jahre seiner Amtszeit. "Wenn die Linke gewinnt, wird Italien weniger frei sein", rief er auf der Demonstration in Rom und erhob so die Regionalvoten zur nationalen Lagerwahl.

Regierung ohne Vertrauen der Bürger

Für den Regierungschef kommen die Abstimmungen zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Eine Umfrage im März zeigte deutliche Vertrauensverluste für die Regierung. Gegen den Regierungschef laufen Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs und Nötigung einer öffentlichen Institution.

Er soll auf einen Kommissar der Kommunikationsaufsicht Druck ausgeübt haben, eine kritische Sendung abzusetzen. Belastet ist seine Regierung auch durch einen großen Korruptionsskandal in der Zivilschutzorganisation. Und Parlamentspräsident Gianfranco Fini, sein Parteigenosse, widersetzt sich Berlusconis Plan, den Regierungschef künftig direkt wählen zu lassen.

Das wahre Debakel der letzten Wochen aber war der Ausschluss der PDL-Wahlliste für die Provinz Rom in Latium mit mehr als vier Millionen Einwohnern. Dies war für Berlusconi auch der Anlass, zur Großdemo in Rom zu rufen.

Die PDL hatte Wahlunterlagen zu spät und unvollständig eingereicht. Es wird spekuliert, dass bis zuletzt Kandidaten ausgetauscht werden sollten. Alle Versuche von Regierung und Partei scheiterten, per Dekret oder Gericht die Wahlzulassung zu erzwingen.

Lesen Sie auf Seite zwei, wieso einigen Kandidaten die Nähe zur Mafia nachgesagt wird und die Zahl der Nichtwähler steigen soll.

Korruptionsvorwürfe und Symphatisanten der Mafia

Zahl der Nichtwähler wird vermutlich steigen

Nun steht in der Provinz Rom nur die persönliche Liste der Spitzenkandidatin Renata Polverini (PDL) zur Wahl. Latium ist eine der Regionen, in denen die PDL sich beste Aussichten versprach. Diese Affäre hat sie einiges Ansehen gekostet. Eventuell kann die Wahl sogar nachträglich angefochten werden.

Es wird angenommen, dass die Zahl der Nichtwähler steigt - nicht nur in Latium. Demoskopen und Politologen rechnen mit 30 bis 35 Prozent Enthaltungen, gespeist von links und rechts. Bei den Parlamentswahlen 2008 lag die Beteiligung bei 80,5 Prozent.

Seit gut zwei Wochen dürfen keine Umfragen mehr veröffentlicht werden. Den letzten zufolge lagen in Latium, im Piemont (Turin) sowie in Ligurien (Genua) und Kampanien (Neapel), alle bisher Mitte-links-geführt, die Konkurrenten fast gleichauf.

Dass die Wahlen in den Regionen nicht nur die nationale politische Szene spiegeln, zeigt schon der Umstand, dass in den insgesamt 20 Regionen nur sechs echte PDL-Bündnisse regieren. Im nationalen Parlament besitzen die PDL und ihr Koalitionspartner Lega Nord eine bequeme Mehrheit. Jede Region hat ihre speziellen Themen.

Eines der größten ist aber überall das Gesundheitswesen, das in regionaler Kompetenz liegt. Es macht in einigen Territorien rund 80 Prozent des Budgets aus, und die Qualität ist regional so verschieden wie die Situation der Regionen insgesamt.

Im Norden stützt Berlusconi sich auch auf die Stärke der Lega Nord und ihren Chef Umberto Bossi, obwohl es im Vorfeld bei der Kandidatenkür Streit gab. Nun tönte Bossi, in Venetien und im Piemont werde die Lega mehr Stimmen holen als die PDL. In der Berlusconi-Partei gab es schon wiederholt Gemurre, dass die Lega zu viel Einfluss gewönne.

Bei den Parlamentswahlen 2008 war sie in zehn Regionen angetreten und hatte 8,3 Prozent der Sitze erreicht. Die Lega Nord, drittgrößte Partei des Landes, tritt für stärkeren Föderalismus ein. Ihren Namen trägt sie, weil sie als Ziel die Abspaltung der reichen Nord-Regionen verfolgt. Die Lega vertritt eine rigide Sicherheits- und Einwanderungspolitik.

Korruptionsvorwürfe und Streit um die Kandidaten

Der PDL hat sie den Spitzenkandidaten in Venetien abgetrotzt. Im Piemont tritt gegen die amtierende Links-Mitte-Mehrheit nun ebenfalls ein Lega-Mann an. Gewinnt er, regieren Lega und PDL den Teil des Landes, der bei weitem das meiste Geld erwirtschaftet.

Ärger und Streit um die Kandidaten gab es links wie rechts. Dabei spielten auch Korruptionsvorwürfe eine Rolle. Die Parteien haben sich verpflichtet, "saubere Listen" zu präsentieren - ohne vorbestrafte Kandidaten oder solche, gegen die ermittelt wird.

Trotzdem stehen auf den Listen auch einige nicht ganz saubere Kandidaten, das gilt von Nord bis Süd und über diverse Parteien hinweg. Sie reichen vom PD-Spitzenkandidaten Vicenzo di Luca in Kampanien, gegen den wegen Steuerdelikten und Amtsmissbrauchs ermittelt wird, bis zu einem PdL-Mann in der Emilia-Romagna, der auf Kosten der Stadt Parma für 90000 Euro Porno-Websites besucht haben soll.

Kandidaten, die mit der Mafia sympathisieren?

Im Süden wird befürchtet, dass es Kandidaten gibt, die der Mafia verbunden sind. Und in Taranto hat gerade ein PD-Kandidat wegen Korruptionsermittlungen verzichtet. Ihn bestochen zu haben, behauptet derselbe Unternehmer, der bei Festen Berlusconis für Callgirls sorgte und im Gesundheitswesen Apuliens mittels Geld und Prostituierten Aufträge kassierte.

Der frühere Vize-Regionalpräsident von der PD sitzt deshalb in Haft. Apulien war für die PD im Wahlkampf auch sonst schwieriges Terrain. In Vorwahlen um den gemeinsamen Kandidaten als Regionspräsident besiegte der amtierende Nichi Vendola von der postkommunistischen Bewegung für die Linke haushoch den PD-Mann.

Keinen eigenen Kandidaten für den Regionspräsidenten hat die PD auch in Latium. Dort tritt für Mitte-links die Ex-Ministerin und EU-Kommissarin Emma Bonino von der kleinen Radikalen Partei an - was in der PD nicht unumstritten war.

Regionalwahlen waren übrigens der Anlass für Berlusconis Rücktritt als Premier 2005. Seine damalige Partei Forza Italia hatte sechs Regionen verloren. Nach zwei Tagen bildete er aber eine neue Regierung.

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