Die römische Linke hat dazugelernt und tritt nun, obgleich seit Langem zerstritten, erstmals seit dem Wahlsieg der Rechten wieder gemeinsam auf. Am Dienstagabend fand im klassischen Zentrum Roms, zwischen dem Kapitol und dem Regierungsviertel, eine symbolhafte Demonstration der vereinigten Opposition statt.
Das Ergebnis der Europawahl, bei der die Linken in Italien in der Summe sogar minimal stärker waren als die Rechten, wegen ihrer notorischen Uneinigkeit aber dennoch als Wahlverlierer dastehen, hat den Parteiführern erkennbar zu denken gegeben. Sie scheinen, mit wenigen Ausnahmen, jetzt bereit zu sein, sich hinter der stärksten linken Politikerin, der sozialdemokratischen Parteichefin Elly Schlein zu versammeln.
Meloni möchte, dass der Premier in Zukunft direkt vom Volk gewählt wird
Und sie haben auch keine Zeit zu verlieren, denn die Ministerpräsidentin Giorgia Meloni drückt ihrerseits aufs Tempo bei ihrem Versuch, die italienische Politik grundlegend umzubauen. Am Montag war sie noch in Brüssel und bei ihren europäischen Amtskollegen abgeblitzt mit dem Versuch, die Vergabe der europäischen Spitzenämter mitzubestimmen.
Wir bekommen unsere Mehrheiten auch innerhalb der demokratischen Mitte zusammen, war die Botschaft namentlich vom deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz, aber auch von anderen. Die Rechtsaußen-Politikerin wollte man nach dem für sie erfolgreichen G-7-Gipfel partout nicht weiter aufwerten, obwohl sie in ihrem Land unstreitig einen klaren Wahlsieg eingefahren hat.
Am Dienstag widmete sich Meloni wieder der Innenpolitik und orchestrierte den Fortgang ihrer Staatsreform. Die bekam am Nachmittag in der zweiten Kammer, dem Senat, eine rechte Mehrheit und hat damit eine wichtige Hürde genommen. Meloni möchte das Amt des Ministerpräsidenten entscheidend stärken, der Premier soll in Zukunft statt vom Parlament direkt vom Volk gewählt werden und der Wahlsieger eine automatische Mehrheit in beiden Gesetzgebungskammern bekommen, damit er ungestört regieren kann; die kontrollierende Funktion des Staatspräsidenten soll massiv beschnitten werden.
Die „Palastspiele“ würden ein Ende haben, kündigt die Premierministerin an
In Melonis Verständnis heißt das, und so formulierte sie es am Abend auch auf ihrem Kanal bei X: dass die Demokratie gestärkt werde, die Institutionen stabiler würden, die „Palastspiele“ ein Ende hätten und die Bürger das Recht zurückbekämen, den zu wählen, von dem sie regiert werden wollten. Für die Opposition ist es der Versuch der Postfaschisten, die Macht im Staat an sich zu reißen und das erprobte System der Gewaltenteilung auszuhebeln.
Zugleich nahm ein Lieblingsprojekt von Melonis rechtspopulistischem Koalitionspartner Matteo Salvini, Chef der Lega, im Abgeordnetenhaus die Hürden: Es sieht vor, den Regionen mehr Autonomie zulasten der zentralen Ebene in Rom zu geben; dies würde den Zusammenhalt des Landes gefährden, sagen die Kritiker. Über diese Pläne ist bisher schon im Parlament gestritten worden, dabei ging es heftig zu. Melonis Kritiker hielten dann lautstark Exemplare der Verfassung hoch und die italienische Trikolore. In der vergangenen Woche gingen rechte Abgeordnete dagegen mit Gewalt vor. Es kam zu Szenen, die manche an die Praxis faschistischer Schlägertrupps in der Frühphase der Ära Mussolini in den 1920er-Jahren erinnerten.
All das alarmiert regierungskritische Stimmen im Land auf das Heftigste. Von den Bänken des Plenarsaals bis zur Piazza dei Santi Apostoli solle der Protest erschallen, das war die Parole, und Elly Schlein versprach von der Bühne, das sei erst der Anfang, und die Plätze der Demonstrationen würden immer größer werden.
Wenn es Meloni nicht gelingt, einen Teil der Opposition auf ihre Seite zu ziehen, um die nötige qualifizierte Mehrheit zu erreichen, dann wird am Ende ohnehin die Bevölkerung in einem Referendum abstimmen, dessen Ausgang und dessen Konsequenzen derzeit völlig offen sind. Die italienische Politik ist damit im Sommer 2024 in eine entscheidende Phase eingetreten.