Italien: Sieg für Berlusconi:Ein Mann, ein Land

Silvio Berlusconi, der Unvermeidliche. Italien kommt nicht los von dem reichen Medienherrscher, der sich nach seinem jüngsten Wahlsieg wie gehabt Gesetze zu seinen Gunsten basteln kann. Der Berlusconismus hält ein ganzes Land gefangen - ein Schandfleck in der EU.

Hans-Jürgen Jakobs

Es ist wie eine Soap aus dem ewig-bunten italienischen Privatfernsehen, das ihm praktischerweise ganz gehört. Multimillionär, 71, geliftet, mit Talent zur Schmierenkomödie, skandalerprobt, gewinnt haushoch die Parlamentswahlen. Das ist die betrübliche Nachricht des Tages. Dieser Mann wird nach 1994 und 2001 zum dritten Mal Ministerpräsident eines Landes, das immerhin zum Kernbestand der Europäischen Union gehört.

Italien: Sieg für Berlusconi: Das Berlusconi-Bündnis hat in beiden Parlamentskammern eine klare Mehrheit

Das Berlusconi-Bündnis hat in beiden Parlamentskammern eine klare Mehrheit

(Foto: Grafik: SZ, Quelle: RAI)

Vergessen die breiten Schleifspuren, die dieser Aufsteiger in seinen ersten Amtsperioden gezogen hat - mit Gesetzen beispielsweise, die seinem gigantischen Medienimperium genutzt haben. Vergessen auch die Verbindungen zur allgegenwärtigen Mafia und die Verurteilung eines seiner treuesten Kumpane, dessen Nähe zur organisierten Kriminalität einfach zu auffällig war. Vergessen auch die vielen Prozesse gegen "Il Cavaliere", wie er sich gerne nennen lässt: Die Italiener können einfach nicht von Silvio Berlusconi lassen.

Es genügt offenbar, all die Erkenntnisse der modernen Konsumgüterwerbung auf die politische Landschaft zu übertragen, um in Italien Erfolg zu haben. Und die erst vor 15 Jahren zum Zwecke des Wahlsieges geschaffene Partei Forza Italia kurzerhand im Bündnis Volk der Freiheit aufgehen zu lassen.

Berlusconi hat mit der simplen Ankündigung, die Kfz-Steuer zu erlassen, offenbar tatsächlich sein Volk der Freiheit gefunden, zumal er in den eigenen TV-Kanälen tüchtig Wahlkampf für sich selbst machen konnte. Er ließ auf Canale 5 die Interviews mit ihm und seinem Antipoden Walter Veltroni aufzeichnen, und, natürlich: Bei Berlusconi brandete während der Übertragung Beifall auf, bei Veltroni kam die Werbung.

In Italien empören sich darüber nicht genügend Leute, in Italien hat dieser Silvio Berlusconi immer Heimspiel. Er sorgt in seinem Fernsehen und seinen Zeitschriften für die richtigen Themen und Bilder, und seinen Ruhm vermehrt gelegentlich auch sein Fußballklub AC Mailand.

Der Berlusconismus hat dieses schöne Kulturland usurpiert, und wenn seine Jahre als Ministerpräsident vorbei sind, ja, dann wird dieser Silvio Berlusconi einfach als Staatspräsident weitermachen. Der ehemalige Bauunternehmer, der einst in Mailand Vorstädte mit Geld aus dunklen Quellen hochzog, macht es eben anders herum als Wladimir Putin in Russland, der sich ebenfalls vieler Medien gewiss sein kann. Wo Putin mit seiner künftig von ihm geführten Partei Geeintes Russland ganz auf Patriot macht, gibt sein italienisches Pendant den Volkstribun der Freiheit.

Lesen Sie auf Seite 2, warum es wahrscheinlich ist, dass sich der Berlusconismus in Italien verfestigt.

Ein Mann, ein Land

Was zählen noch die Inhalte, die Fragen politischer Reformen, die Ernsthaftigkeit einer Idee, wenn doch schon die richtigen Vokabeln die Leute beflügeln und zum Kreuzchenmachen bewegen!

Die Wahrscheinlichkeit ist diesmal groß, dass sich der Berlusconismus in Italien verfestigt. Der Medienherrscher siegte bekanntlich mit deutlichem Vorsprung sowohl im Abgeordnetenhaus als auch im Senat. Anders als in früheren Zeiten - mit vielen Splittergruppen - sitzen nunmehr nur noch vier Fraktionen im römischen Parlament; Berlusconi kann mit seinem Bündnispartner Umberto Bossi die Szenerie dominieren. Mit jenem Bossi also, der gegen Einwanderer polemisiert und immer wieder einmal mit einer Abspaltung des reichen Nordens liebäugelt.

Silvio Berlusconi ist wieder am Ziel, und alle Welt fragt sich wahlweise, wie das passieren konnte oder ob die Italiener von allen guten Geistern verlassen sind.

Sehen sie nicht, was jetzt passieren wird? Dass Berlusconi gegen die Justiz hetzen wird, gegen Richter und Staatsanwälte, die Gesetze befolgen und die Machenschaften des neuen Premiers verfolgen wollen? Dass der Triumphator mit der Halbglatze, die trotz Haartransplantationen nicht verschwindet, notfalls einfach Gesetze erlässt, die sein Imperium Fininvest/Mediaset schützen, zum Beispiel mit effizienten Verjährungsklauseln? Und wissen sie nicht, dass Berlusconi einfach - wie gehabt - das Personal des Staatsfernsehen Rai solange schurigeln wird, bis es dem Meister der Medien huldigt?

Es ist eine Schande für die Demokratie, was in Italien regelmäßig unter Mitwirken Berlusconis passiert. Es ist auch die Folge einer versäumten Medienpolitik der EU, die sich in all den Jahren keine wirkungsvollen Maßnahmen gegen Medienkonzentration und Medienmachtmissbrauch hat einfallen lassen.

Man muss sich einfach immer wieder vorstellen, was passieren könnte, wenn ein einzelner Unternehmer in Deutschland die TV-Konzerne RTL Group und Pro Sieben Sat 1 Media AG besäße, dazu noch einen Großverlag wie Gruner + Jahr (Stern, Brigitte) sowie den FC Bayern München - und er dann auch noch die Räte, Intendanten und Chefredakteure von ARD und ZDF beeinflussen könnte. Dann wäre man bei der Dimension Berlusconi.

Wenn es um die EU-Osterweiterung geht, maßen sich die Europäer an, den Beitrittsländern Nachhilfeunterricht in Sachen Demokratie und Gewaltenteilung zu erteilen. Würden sie nur lange genug nach Italien schauen, auf den Stiefel des Berlusconismus, dann müssten sie rot werden. Und Silvio Berlusconi? Der Entertainer, der früher auf Kreuzfahrtschiffen die Passagiere unterhalten hat, er wird zum Verfall der politischen Kultur einfach fröhliche Lieder spielen.

Die Freiheit, die er meint, ist die Unfreiheit seines Volkes.

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