Italien: Sex-Skandal:Falle im Halbdunkel

Eine verworrene Geschichte über Sex, Drogen, Videos und Politik: Auch Italiens Opposition hat jetzt ihren Skandal.

Andrea Bachstein

Sex, Drogen, Videos und Politik sind die Zutaten eines Skandals, der in Italien die Schlagzeilen beherrscht. Die Hauptfigur, Piero Marrazzo, ist Regionspräsident von Latium. Er hat am Samstag die Amtsgeschäfte niederlegt. Ein sehr unglücklicher Zeitpunkt für die größte Oppositionspartei Partito Democratico (PD), der Marrazzo angehört, und deren Vorsitzender am Sonntag zur Wahl stand. Die Partei hatte auf diese - für alle Bürger offene - Wahl besondere Hoffnung gelegt. Sie wünschte sich eine möglichst große Teilnahme, um ihr Gewicht gegenüber der Regierung zu vergrößern. Nun war nicht nur ein Spitzenpolitiker schwer beschädigt, die Wahl wurde als Thema in den Medien zeitweise vom ersten Platz verdrängt.

Italien: Sex-Skandal: Piero Marrazzo, Regionspräsident von Latium und Hauptfigur in einem Skandal, der in Italien die Schlagzeilen beherrscht.

Piero Marrazzo, Regionspräsident von Latium und Hauptfigur in einem Skandal, der in Italien die Schlagzeilen beherrscht.

(Foto: Foto: AFP)

Der Regionspräsident, das Amt entspricht etwa dem eines deutschen Ministerpräsidenten, wurde von vier Carabinieri erpresst. Sie waren im Besitz eines Videos, das den 51-jährigen Politiker angeblich halbnackt mit einem Transsexuellen zeigt. Zu sehen ist demnach auch Kokain auf einem Tisch. Zu hören sein soll, wie Marrazzo bittet: "Ruiniert mich nicht. Tut mir nicht weh."

Ans Licht gekommen ist die Affäre durch interne Ermittlungen gegen die Polizisten. Sie sollen im Juli in die Wohnung eines Transsexuellen namens "Natalie" eingedrungen sein und von Marrazzo 20.000 Euro verlangt haben. Der Politiker ist mit einer Fernsehjournalistin verheiratet. Marrazzo gab den Erpressern das Geld in Form von Schecks - und saß damit in der Falle.

So weit wäre der Fall nachvollziehbar. Auch ist klar, warum Marrazzo die Geschäfte nur ruhen lässt und erst im Dezember zurücktritt. Bei einem formellen Rücktritt müssten binnen 90 Tagen Neuwahlen stattfinden - und solche sind für März ohnehin geplant. Verworrener wird die Geschichte aber, je mehr über die Details der Ermittlungen berichtet wird. Die Polizisten haben die erpressten Schecks nie eingelöst, doch das Video wurde im September über einen Mittelsmann für 200 000 Euro Journalisten angeboten. Es ist nie veröffentlicht worden, aber letzte Woche wurde eine Kopie bei Chi beschlagnahmt, einem Klatschblatt. Es erscheint in der Verlagsgruppe Mondadori, deren Chefin eine Tochter von Silvio Berlusconi ist.

Noch ein deutlicheres Video?

Ob Intrige im Spiel sein könnte, ist unklar. Die Zeitung Repubblica schreibt, im September habe eine "regierungsnahe Quelle" gestreut, es kursiere ein Video von Marrazzo, das ihn mit zwei Transsexuellen beim Koksen zeige. Der Corriere della Sera berichtet, die Carabinieri hätten ausgesagt, sie seien nur Spielfiguren von Machenschaften höherer Kreise.

Inzwischen gibt es Hinweise, dass noch ein deutlicheres Video existiert, das Marrazzo mit zwei Transsexuellen zeigt. Es soll von Prostituierten gefilmt worden sein. Ermittlungen in der Szene haben ergeben, dass Marrazzo sich offenbar öfter mit Transsexuellen traf. "Natalie" soll ausgesagt haben, er betrachte sich als seine "feste Freundin". In Roms Halbwelt wurde Reportern erzählt, viele Prominente seien Kunden, die Treffen kosteten Tausende Euro, es werde reichlich Kokain konsumiert.

Vertreter seiner Partei PD begrüßten, dass Marrazzo die Konsequenz zieht. Innenminister Roberto Maroni von der Lega Nord hingegen sagte, es gehe um persönliche Dinge, ein Rücktritt sei nicht nötig. Dies liegt auf der Linie der Regierungsparteien im Zusammenhang mit den Skandalen von Premier Silvio Berlusconi. Demnach hätten die privaten Affären keinen Einfluss auf die Amtsführung.

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