Italien:Sex, Berlusconi und ein Geständnis

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Bisher lieferte das Privatleben Berlusconis vor allem Stoff fürs Boulevard. Nun wird es für Italiens Premier politisch unangenehm.

Carsten Matthäus

Langsam fügt sich alles zu einem Bild. Es ist ein Gemälde eines modernen Schlaraffenlandes, in dem ein 72-jähriger Patriarch mit schütterem Haar von Dutzenden bildhübscher, teils gelifteter Frauen umgeben ist. Direkt neben ihm steht ein gerade 18-jähriges Mädchen und lächelt engelsgleich. Die Frau des Patriarchen bewegt sich mit angewidert gerecktem Kopf zum Bildrand, gefolgt von einem Tross katholischer Priester. Um das Gelage herum verteilen sich diverse Speichellecker und Hofschranzen, die den Mädchen heimlich Geldscheine zustecken.

Diese Szene wird es genau so wohl nicht gegeben haben. Was genau geschehen ist und was er selbst davon wusste, kann nur der Patriarch Silvio Berlusconi sagen. Der Premierminister Italiens, nebenbei noch Milliardär und Medienmogul, will aber nicht. Deshalb tun es andere, seit vier Monaten, Stück für Stück.

Den Anfang machte Veronica Lario, die vermeintlich betrogene Ehefrau. Als ihr Ehemann ihr die nach ihrem Empfinden x-te Lüge auftischte (Er sagte, er müsse zu einer Müll-Konferenz nach Neapel, besuchte dann aber den 18. Geburstag der blonden Noemi Letizia), wurde es ihr zu viel. Sie verlangte öffentlich die Scheidung und erklärte das später en detail in einer Neuauflage ihrer Biographie. Ihr Mann habe es auf Minderjährige abgesehen, sei sexsüchtig und brauche eine Therapie, so ihr Fazit. Ob es zwischen Noemi und Silvio tatsächlich zu mehr als Händeschütteln gekommen ist, lässt aber auch sie offen.

Dann kam Patrizia D'Addario und der Verdacht, Silvio Berlusconi habe sich Prostituierter bedient. Die professionelle Eskort-Dame ließ es auch nicht bei Vorwürfen, sie machte ihre "Rückversicherungen" für unwillige Männerbekanntschaften öffentlich: Plötzlich waren Tonbandprotokolle und Bilder auf dem Markt. Sie bestätigen das Bild von einem Premierminister, der seine vermeintliche Attraktivität (viel Macht, viel Geld, wenig Haare) in vollen Zügen auskostet.

Als Beweise für einen tatsächlichen Missbrauch seiner politischen Ämter könnten die Mitschnitte und Schnappschüsse nicht verwendet werden. Auch die Vermutungen, einige hochattraktive Politikerinnen seien nicht ganz auf dem langen Dienstweg in ihre Ämter gekommen, lassen sich juristisch nicht unterfüttern. Die vielen Geschichten und Indiskretionen aus dem Umfeld des Patriarchen genügen aber, um die Heilige Kirche auf den Plan zu rufen, die den Premier nun öffentlich als "verderbt" brandmarkt.

Der "Endverbraucher"

Aber der Patriarch lässt sich nicht unterkriegen. Er lässt seine Mitarbeiter verkünden, er müsse nicht für die Dienste von Frauen zahlen, er bekäme diese in großen Mengen gratis und außerdem sei er immer nur der "Endverbraucher" gewesen. Alle, die gegen ihn sind - Zeitungen, Politiker und sogar die Mutter Kirche - überzieht er mit wüsten Drohungen. Bis zu diesem Zeitpunkt kann sich Berlusconi noch als Opfer einer Schmutzkampagne linker Medien gerieren und auf den Schutz seines Privatlebens pochen. Aus seiner Liebe zu schönen Frauen hat Berlusconi - das muss man ihm lassen - auch nie einen Hehl gemacht. Zu niemandem passt wohl das Wort Kavaliersdelikt besser.

Doch nun tritt eine Person auf, die selbst für den Macht- und Geldhaber Berlusconi gefährlich werden dürfte. Gianpaolo (genannt "Gianpi") Tarantini sagt aus, er habe etwa 30 Frauen für 18 Partys in Privatvillen Berlusconis organisiert. Einigen davon will er auch ordentlich Geld bezahlt haben, damit sich diese im Bedarfsfall sexuelle Handlungen gefallen ließen. Berlusconi, der "Endverbraucher", habe allerdings nichts von diesen Zahlungen gewusst.

Das Ganze wäre nur eine neue Geschichte aus Berlusconis Privatleben, hätte Tarantini diese Angaben aus freien Stücken gemacht. Hat er aber nicht. Der Jungunternehmer muss sich gerade gegenüber der italienischen Finanzpolizei des Vorwurfs der Korruption und des Drogenhandels erwehren und hat offenbar ein umfassendes Geständnis abgelegt. Dieses gelangte praktischerweise auch gleich an die Presse und wurde von der konservativen Zeitung Corriere della Sera veröffentlicht.

Besonders unangenehm für Berlusconi ist daran zweierlei: Erstens plaudert Gianpi Tarantini auch aus, warum er den Premierminister glücklich machen wollte. Die Zufuhr williger Frauen verschaffte ihm nach eigenen Angaben die nötigen Kontakte, um bei einer öffentlichen Ausschreibung der Gesundheitsbehörden von Bari mitzuverdienen. Sollten sich diese Aussagen beweisen lassen, wäre der juristische Grund für eine parlamentarische Untersuchung gegeben.

Zweitens hat sich mit dem Corriere della Sera, die dem Fiat-Clan Agnelli gehört, nun auch die größte konservative Zeitung des Landes gegen Berlusconi in Stellung gebracht hat. Nach der in Italien höchst einflussreichen Kirche verliert der Premierminister damit auch den Rückhalt der rechtskonservativen bürgerlichen Elite, die ihn magels Alternativen bisher zumindest geduldet hat.

Um im anfänglichen Bild zu bleiben, läuft Berlusconi nun Gefahr, dass sich nicht nur Frau und Kirche angewidert von ihm abwenden, sondern das gesamte Land.

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