Süddeutsche Zeitung

Flüchtlinge im Mittelmeer:Italien schränkt Arbeit ziviler Seenotretter deutlich ein

Hohe Geldstrafen, Konfiszierung von Schiffen: Die rechte Meloni-Regierung in Rom hat ein Dekret erlassen, das den Einsatz von Hilfsorganisationen auf dem Mittelmeer sehr erschwert. Die NGOs sind empört.

Die italienische Regierung hat ein Dekret verabschiedet, das die Einsätze von zivilen Seenotrettern im Mittelmeer deutlich einschränken soll. Internationale Helfer reagierten empört auf die Initiative der rechten Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Das Dekret sieht unter anderem vor, dass die Schiffe der Hilfsorganisationen nach einer ersten Rettung sofort einen dann zugewiesenen Hafen ansteuern müssen, ohne eventuell weiteren Booten in Seenot Hilfe leisten zu können. Normalerweise führen die Schiffe pro Einsatz mehrere Rettungen von Menschen auf kleinen Booten durch. Zudem sollten Migranten und Flüchtlinge noch auf dem Schiff sagen, ob und vor allem in welchem EU-Land sie um Asyl ansuchen wollen und dann die Anträge ausfüllen.

Bei Verstößen gegen die neuen Regelungen droht Rom den Kapitänen der zivilen Schiffe mit hohen Geldstrafen bis zu 50 000 Euro. Außerdem könnten die Schiffe von den Behörden konfisziert und in den italienischen Häfen festgesetzt werden. Meloni sagte am Donnerstag bei einer Jahresabschluss-Pressekonferenz, ihre Regierung habe das Thema Migration wieder auf die internationale Agenda gesetzt. Daneben behauptete sie, dass durch das Dekret die Einsätze der NGOs mit dem internationalen Recht vereinbart würden.

Hilfsorganisationen wehren sich gegen Dekret: rechtswidrig

"Das neue Dekret der italienischen Regierung ist eine Aufforderung zum Ertrinkenlassen", sagte Oliver Kulikowski vom deutschen Verein Sea-Watch, der regelmäßig auf Einsätzen im zentralen Mittelmeer ist. "Schiffe in den Hafen zu zwingen, verstößt gegen die Pflicht zur Rettung, sollten noch weitere Menschen in Seenot sein. Wir werden uns auch diesem Versuch entgegenstellen, zivile Seenotrettung zu kriminalisieren und Flüchtende ihrer Rechte zu berauben."

Nach Einschätzung der Regensburger NGO Sea-Eye ist das Dekret rechtswidrig - "insoweit es das Verhalten deutsch beflaggter Schiffe in internationalen Gewässern regeln und bei Einfahrt in das italienische Küstenmeer sanktionieren will", sagte Valentin Schatz von Sea-Eye. Der Staat habe keine Regulierungs- und Durchsetzungshoheit betreffend Seenotrettung ausländischer Schiffe jenseits seines Küstenmeers (12 Seemeilen). "Italien kann also nicht vorschreiben, wie die Rettungseinsätze in internationalen Gewässern durchzuführen sind". Auch Ärzte ohne Grenzen übte Kritik. "Wir werden gezwungen, die Rettungszone im Mittelmeer ungeschützt zu lassen, was dazu führen wird, dass die Zahl der Toten steigt", sagte Marco Bertotto, der Italien-Verantwortliche der NGO, der Zeitung La Stampa.

Die Einsätze der zivilen Schiffe sind den Rechten in Rom schon seit Langem ein Dorn im Auge. Im November wurde versucht, zwei Schiffen zu verbieten, die geretteten Menschen an Land zu bringen. Zuletzt wiesen die Behörden Schiffen nur sehr weit entfernte Häfen zu, um sie - nach Ansicht der Helfer - zu schikanieren. Die Ocean Viking von SOS Méditerranée etwa muss aktuell mit 113 Geretteten von Süditalien rund 900 Seemeilen bis nach Ravenna an die nördliche Adria fahren. Die italienische Regierung begründet ihr Vorgehen gegen die Organisationen mit der Behauptung, diese würde die illegale Migration begünstigen und Schleppern im Mittelmeer helfen. Die NGOs weisen das zurück.

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