Italien:Schneiderlein Berlusconi

Mit zwei Verfahren könnte die Mailänder Justiz Silvio Berlusconi für mehrere Jahre hinter Gitter bringen. Doch Italiens Premier hat sich bislang noch immer Gesetze maßgeschneidert, die dies verhindern.

W. Jaschensky

Der Palazzo Giustizia in Mailand ist die Trutzburg der italienischen Justiz. Die Fenster des Bauwerks aus faschistischer Zeit wirken wie gigantische Schießscharten, die Mauern so massiv, dass auch schwere Geschütze dem Koloss nichts anhaben können.

Glaubt man Italiens Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, dann arbeiten hinter diesen Wänden Menschen, die nur ein Ziel haben: Die zu treffen, die regieren - vor allem ihn selbst, den Cavaliere. "Die roten Roben wollen mich aus dem Amt jagen", pflegt Berlusconi zu sagen.

Seit 15 Jahren versuchen Mailänder Staatsanwälte, den italienischen Medienmilliardär hinter Gitter zu bringen - und seit 15 Jahren unternimmt Silvio Berlusconi alles, um seinen Kopf aus der Schlinge der Strafverfolger zu ziehen. Dafür sind Berlusconi alle Mittel recht. Mehrere Male schon stand der mächtigste Mann Italiens mit einem Bein im Knast, doch immer wieder retteten ihn maßgeschneiderte Gesetze.

Seit Mittwoch keimt nun Hoffnung in Mailand: Die Staatsanwaltschaft hatte die Überprüfung des Immunitätsgesetzes beantragt - und Italiens Verfassungsrichter verwarfen das Gesetz, das den vier höchsten politischen Amtsträgern Italiens Straffreiheit gewährte. Berlusconi darf somit wieder angeklagt werden.

Zwei Gerichtsverfahren drohen dem 73-Jährigen nun. Im ersten Fall geht es um den Vorwurf der Bestechung. Berlusconi soll seinem früheren Anwalt, dem Briten David Mills, 600.000 Dollar (440.000 Euro) gezahlt haben, damit dieser in Korruptionsprozessen gegen Berlusconi falsche Zeugenaussagen macht.

Mills wurde bereits der Prozess gemacht: Der Brite wurde zu einer Haftstraße von viereinhalb Jahren verurteilt. Auch Berlusconi wurde in dem Fall bereits angeklagt, das Verfahren jedoch im Oktober 2008 ausgesetzt. Der Grund: Berlusconis Immunitätsgesetz, das nun für verfassungswidrig erklärt wurde.

In dem zweiten Verfahren werfen die Mailänder Staatsanwälte Berlusconi Steuerbetrug, Unterschlagung und Finanzfälschung vor. Es geht es um Unregelmäßigkeiten beim Kauf von Rechten für die Ausstrahlung amerikanischer Filme.

Der kreative Gesetzgeber

Die Staatsanwaltschaft will beweisen, dass Berlusconi über ausländische Tarnfirmen in den Jahren 1994 bis 1999 die Filmrechte aufkaufte - und diese dann zu überhöhten Preisen an die beiden Berlusconi-Firmen Fininvest und Mediaset wieder verkauft zu haben.

Durch diesen Trick hat es Berlusconi nach Ansicht der Ermittler geschafft, die Gewinne seiner Firmen zu senken und den italienischen Fiskus zu prellen. Die verschleierten Gewinne soll der Milliardär in schwarzen Kassen im Ausland angelegt haben. Im Falle einer Verurteilung drohen Berlusconi sechs Jahre Haft.

Dass es wirklich dazu kommt, bezweifeln wohl nicht nur treue Anhänger des Cavaliere. Zu oft ist Berlusconi im letzten Moment einer Verurteilung entgangen.

1997 verurteilte ein Gericht Berlusconi zu 16 Monaten Haft, weil er beim Kauf der Filmverleihfirma Medusa Bilanzen gefälscht haben soll. Berlusconi ging in Berufung - und wurde drei Jahre später freigesprochen. 1998 wurde Berlusconi in zwei Verfahren zu insgesamt 61 Monaten Haft verurteilt. In einem Fall ging es um illegale Parteienfinanzierung und schwarze Konten, im anderen um Schmiergelder für Steuerprüfer. Berlusconi durchschritt die Instanzen - und erreichte einen Freispruch und eine Aufhebung des Urteils.

1999 wurde Berlusconi vom Vorwurf mutmaßlicher Unregelmäßigkeiten beim Kauf eines privaten Grundstücks freigesprochen. Wegen Verjährung und Amnestie entfiel jede weitere Strafverfolgung.

Die Kreativität des Cavaliere

Meherere Male retteten Berlusconi Verjährungsfristen. 2001 stellten Richter ein Verfahren um Korruption beim Kauf des Buchverlages Mondadori ein. 2002 verjährte der Vorwurf der Bilanzfälschung. Berlusconi wurde vorgeworfen, als Präsident des AC Milan den Transfer eines Fußballers teils mit Schwarzgeld bezahlt und die Transfersumme zu niedrig angegeben zu haben.

Im selben Jahr stand Berlusconi vor Gericht, weil er bei der Übernahme der Lebensmittelkette SME Richter bestochen haben soll. Für Berlusconi wurde es eng: Ihm drohte ein Urteil, das wohl nicht im Sinne des Ministerpräsidenten ausgefallen wäre.

Mit seiner Regierungsmehrheit im Rücken drückte Berlusconi gegen den lautstarken Protest der Opposition und vieler Bürger ein Gesetz durch den Senat, das eine Verlegung des Prozessortes möglich gemacht hätte. Das römische Kassationsgericht verhinderte die Verlegung zwar gerade noch - am Ende wurde Berlusconi dennoch wegen Verjährung freigesprochen.

Jetzt werden die Staatsanwälte im Palazzo Giustizia daran arbeiten, dass dies nicht noch einmal passiert - und Berlusconi wenigstens in einem der beiden anstehenden Verfahren eine Schuld nachgewiesen werden kann. Doch in keiner Disziplin hat der Politiker Berlusconi so viel Geschick bewiesen, wie in der Verhinderung der eigenen Verurteilung. Die kommenden Monate könnten neue Kreativität vom Cavaliere erfordern - und Italien ein neues Gesetz bescheren.

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