Italien:Salvinis schwarzer Montag

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In der "roten Festung" Toskana ist der Coup von Matteo Salvini gescheitert. (Foto: REUTERS)

Bei den Regionalwahlen in Italien behauptet sich die Linke überraschend stark und verteidigt ihre Hochburg in der Toskana. In der rechten Lega steht Salvinis Rolle als Parteichef in Frage.

Von Oliver Meiler, Rom

Der Sturm auf die Toskana ist verweht. Italiens Linke behält ihre alte Hochburg im Herzen des Landes, doch so gezittert wie diesmal hatte sie seit republikanischem Gedenken noch nie. Eugenio Giani, der Kandidat des sozialdemokratischen Partito Democratico und von Matteo Renzis Partei Italia Viva, hat die wichtigste von sieben italienischen Regionalwahlen, die wegen der Pandemie an zwei Tagen stattfanden, am Ende einigermaßen deutlich gewonnen - gemäß Hochrechnungen vom Montagabend mit 47 Prozent der Stimmen. Die junge Bewerberin der rechten Lega, Susanna Ceccardi, brachte es demnach auf 40 Prozent.

Wahrscheinlich spielte eine Rolle, dass die Linke den Urnengang zuletzt zu einem nationalen Drama stilisiert hatte - zu einem Showdown mit Matteo Salvini, dem Chef der Lega. Der hatte alle Hoffnung in einen symbolischen, spektakulären Wahlsieg in der Toskana gesetzt, in einen Befreiungsschlag nach einem stetigen Gunstverlust seit seinem Sturz im August 2019. Doch wie schon im Januar in der Emilia Romagna, der anderen "roten Festung", scheiterte sein Coup.

Hat die linke Hochburg Italiens gehalten: Eugenio Giani schlug in der Toskana Susanna Ceccardi, die Kandidatin der Lega. (Foto: ZUMA Press/imago stock&people)

Das progressive Lager gewann auch in Kampanien, wo Regionspräsident Vincenzo De Luca mit großem Vorsprung seine Wiederwahl schaffte. Überraschend klar und wider alle Prognosen konnte sich auch der bisherige Gouverneur Apuliens, Michele Emiliano, gegen den Bewerber der Rechten behaupten. Die Marken, Ligurien und Veneto gehen an die Rechte oder bleiben rechts, wie erwartet. Im Aostatal werden Gouverneure nicht direkt gewählt.

Besondere Aufmerksamkeit kam Venetien zu, wo Luca Zaia von der Lega sein drittes Mandat mit einem Plebiszit gewann: mit wohl über 75 Prozent. Und da Zaia, ein Vertreter der alten Lega Nord, Salvinis parteiinterner Rivale ist, galt das Votum für ihn auch als Misstrauensvotum gegen den anderen. Zaias eigene Wahlliste holte fast drei Mal so viele Stimmen wie die offizielle Liste der Lega. Plötzlich steht Salvinis Rolle als Parteichef in Frage.

Neben den Regionalwahlen fand auch eine Volksabstimmung über eine Verfassungsreform statt. Nach vielen Versuchen und tausend Debatten verkleinert Italien sein Parlament, von 945 auf 600 Sitze. Knapp siebzig Prozent der Wahlteilnehmer stimmten für die Reform, die das Parlament schon in doppelter Lektüre passiert hatte und nur noch einer Bestätigung durch das Volk bedurfte. Das Votum ist ein Triumph für die Cinque Stelle, die einst als systemkritische Bewegung mit solchen Vorschlägen Furore gemacht hatte und nun seit zweieinhalb das Land mitregiert.

Die Italiener haben pauschal keine sehr große Achtung für die Schaffenskraft ihrer nationalen Volksvertreter, die sie auch gemeinhin für überbezahlt halten - insofern ist das Ergebnis keine Überraschung. Erstaunlich ist allenfalls, dass es nicht viel massiver ausfiel. Bei Umfragen vor dem Sommer sagten bis zu neunzig Prozent der Italiener, dass sie für den Schnitt stimmen würden - also "Sì".

In den vergangenen Wochen hatte das Lager des "No", das quer durch alle Parteien ging, jedoch mit einer Schlussoffensive viel Terrain wettgemacht. Die Gegner bemängelten, dass da für einen relativ dürftigen Sparbetrag - zwischen 57 und 100 Millionen Euro im Jahr - die Vertretung der Bürger im Parlament ausgedünnt werde, so sehr, dass Italien in Zukunft von allen Ländern der Europäischen Union die niedrigste Quote Parlamentarier pro 100 000 Wahlberechtigter haben werde: nämlich 0,7. Die Befürworter entgegneten, dass weniger Senatoren und Abgeordnete ihr Amt ernsthafter und effizienter wahrnehmen würden. Das sei ein erster Schritt in Richtung einer umfassenderen Reform des Parlaments, auch die hohen Entschädigungen stünden jetzt zur Debatte.

Die Fünf Sterne können nun behaupten, dass sie eines ihrer Grundanliegen umgesetzt haben. Luigi Di Maio, Außenminister und früher politischer Chef der Partei, sprach von einem "historischen" Tag: "Wir haben es geschafft", sagte er. Auch die Sozialdemokraten jubeln ein bisschen mit. Sie hatten zwar zunächst drei Mal gegen die Reform gestimmt im Parlament und erst in der Schlussvotation dafür, weil sie sich unterdessen mit den Cinque Stelle alliiert hatten: Doch für die Volksbefragung gaben sie die Ja-Parole aus. Zu den heimlichen Siegern gehört auch der parteilose, den Fünf Sternen nahe stehende Premier Giuseppe Conte. Er hatte vor dem Referendum öffentlich kundgetan, dass er "Ja" stimmen würde. Sozusagen eine private Meinungsäußerung, eine mit politischer Gravitas jedoch.

Überhaupt: Für das Klima in der oftmals zerstrittenen Regierung ist der Ausgang dieses "Election Day", wie die Italiener die Koppelung von Referendum und Regionalwahlen nannten, eine große Erleichterung. Wie immer in Italien hatte es auch im Vorfeld dieses Urnengangs Planspiele für eine Regierungskrise gegeben, genüsslich genährt von politischen Analysten und Journalisten. Conte selbst hatte allerdings ausgeschlossen, dass sein Kabinett zur Debatte stehe. Bei einem Auftritt vor Studenten sagte er, seine Regierung wolle an den Fähigkeit gemessen werden, wie sie die Milliarden für den postpandemischen Wiederaufbau nutzen werden: "Wenn wir an dieser Herausforderung scheitern, könnt ihr uns nach Hause schicken." Messbar ist das wohl erst in einigen Jahren.

© SZ vom 22.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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