Süddeutsche Zeitung

Regierungskrise:Wie es in Italien weitergehen könnte

  • In Rom haben nach dem Rücktritt von Premierminister Conte die Beratungen für eine Lösung der Regierungskrise begonnen.
  • Am wahrscheinlichsten mutet derzeit ein neues Bündnis aus den Fünf Sternen und den Sozialdemokraten vom Partito Democratico an.
  • Auch Neuwahlen oder ein Übergangskabinett sind möglich.

Von Oliver Meiler, Rom

In römischen Quirinalspalast, dem Amtssitz des italienischen Staatspräsidenten, beginnen nun die Konsultationen für eine Lösung der Regierungskrise. Theoretisch sind mehrere Beratungsrunden mit den Delegationen der Parteien und Fraktionen möglich. Doch Staatschef Sergio Mattarella, der in dieser Phase alle Fäden zieht, hat es offensichtlich eilig: Die erste Runde setzte er an, da war die populistische Koalition aus Cinque Stelle und Lega gerade erst seit ein paar Minuten zerbrochen.

Bereits Anfang kommender Woche, so hört man, möchte er eine klare Vorstellung davon haben, ob es im aktuellen Parlament eine andere und solide Mehrheit gibt, die es bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode 2023 schaffen könnte und wer eine solche anführen würde. Am wahrscheinlichsten mutet derzeit ein neues Bündnis aus den Fünf Sternen und den Sozialdemokraten vom Partito Democratico an. Mit den Stimmen von Fraktionslosen und Vertretern aus den autonomen Regionen hätten sie in beiden Kammern eine Mehrheit.

Noch aber ist schleierhaft, wie ihr gemeinsames Regierungsprogramm aussehen und wer ein allfällig gelb-rotes Kabinett anführen könnte. Der nunmehr geschäftsführende Premier Giuseppe Conte hat nach seiner Abrechnung mit Matteo Salvini im Senat einen neuen Status. Viele Sozialdemokraten aber finden, er stehe für die verflossene Regierung, mit der man klar brechen will. Dasselbe gilt für Luigi Di Maio, den Chef der Sterne und bisherigen Vizepremier.

Spekuliert wird deshalb unter anderem über eine Beförderung von Roberto Fico, dem Vorsitzenden der Abgeordnetenkammer, der dem linken Flügel der Cinque Stelle angehört. Fico hat sich im Gegensatz zu seinen Parteifreunden in Migrationsfragen immer von der rechten Lega distanziert. Möglich wäre aber auch die Berufung einer parteilosen Persönlichkeit, etwa von Raffaele Cantone, der bis vor Kurzem oberster Korruptionsjäger im Land war. Cantone genießt in beiden Parteien hohes Ansehen.

Den Partito Democratico umtreibt nicht nur das Für und Wider eines Bündnisses mit den Fünf Sternen, sondern auch ein interner Bruderkampf. Matteo Renzi, der frühere Parteichef und Premier Italiens, hat sich in den vergangenen Tagen mit einem unerwarteten politischen Coup wieder mächtig in den Vordergrund gespielt. In einer Regierung mit den Cinque Stelle will er aber nicht sitzen. Nun befürchten die Genossen aus der neuen Führung, Renzi könnte zwar Ja sagen zu einer Regierung mit den Sternen - und sie dann aber wieder platzen lassen, wenn es ihm passt. Im Parlament sind nämlich die meisten Sozialdemokraten "Renzianer". Renzi wird nachgesagt, er arbeite an der Gründung einer eigenen Partei, mit der er sich dann bei den nächsten Wahlen präsentieren würde.

Scheitern die Verhandlungen für die einzig mögliche Alternative, könnte Mattarella die Parlamentskammern sofort auflösen und Neuwahlen für den Herbst anberaumen. Der früheste Termin wäre dann wohl Anfang November, und die Kampagne fiele mitten in die heiklen Diskussionen über den Haushalt für 2020. Mattarella kann aber auch ein sogenanntes institutionelles Übergangskabinett berufen, das die dringendsten Geschäfte erledigt und mittelfristig zu Neuwahlen führt. In diesem Fall würden die Italiener wahrscheinlich im kommenden Frühjahr ein neues Parlament wählen.

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