Süddeutsche Zeitung

Regierungskrise in Italien:Italien steht vor Neuwahlen

Staatspräsident Mattarella löst beide Parlamentskammern auf. Ministerpräsident Draghi bleibt kommissarisch im Amt.

Von Oliver Klasen, München

Italiens Präsident Sergio Mattarella hat am Donnerstagabend das Parlament aufgelöst und damit den Weg für Neuwahlen freigemacht. Zuvor hatte Premier Mario Draghi erneut seinen Rücktritt eingereicht. In einer dramatischen, sich über Stunden hinziehenden Sitzung im Senat am Mittwoch hatte sich am Ende gezeigt, dass Draghi das Vertrauen von dreien seiner Koalitionspartner verloren hat.

"Das Auflösen des Parlaments ist immer der letzte Schritt", sagte Mattarella, nachdem er ein entsprechendes Dekret unterzeichnet hatte. Die politische Situation habe jedoch zu dieser Entscheidung geführt. Damit stehen Italien nun unruhige Wahlkampfwochen bevor: Der Urnengang muss binnen 70 Tagen abgeschlossen sein. Als Termin ist der 25. September vorgesehen. Umfragen zufolge könnten dabei die rechtsextremen Fratelli d'Italia von Giorgia Meloni stärkste Partei werden und zusammen mit der Forza Italia von Ex-Premier Silvio Berlusconi und der Lega von Matteo Salvini eine Koalition bilden.

Draghis Rede in der Abgeordnetenkammer am Mittwoch hatte nur wenige Minuten gedauert. Zu Beginn wurde der Premier, der über weite Teile des politischen Spektrums hochgeschätzt ist, von zahlreichen Abgeordneten mit Applaus im Stehen empfangen. Draghi bedankte sich und kündigte dann mit knappen Worten an, dass er sich umgehend zu Sergio Mattarella begeben werde, dem Staatspräsidenten.

Dieser nahm Draghis Rücktritt an, bat den Ministerpräsidenten aber, übergangsweise die Regierungsgeschäfte zu führen, bis eine andere Lösung gefunden ist. Bei Mattarella war Draghi vor einer Woche schon einmal vorstellig geworden und hatte seinen Rücktritt eingereicht, nachdem ihm die populistische Fünf-Sterne-Bewegung nach einer Abstimmung im Parlament die Unterstützung entzogen hatte. Damals lehnte Mattarella den Rücktritt ab und wies Draghi an, sich erneut ins Parlament zu begeben und bei den Abgeordneten für einen Fortbestand der Regierung zu werben. Genau das tat der Ministerpräsident am Mittwoch im Senat, der zweiten Kammer des italienischen Parlaments. In einer eindringlichen und kämpferischen Rede hatte er an die Abgeordneten appelliert, ihm das Vertrauen zu geben.

Zwar gewann Draghi die Vertrauensabstimmung formal. Drei der Parteien seiner Koalition - die rechtsgerichtete Lega des früheren Innenministers Salvini, die Forza Italia des früheren Regierungschefs Berlusconi und die Fünf Sterne - blieben der Abstimmung jedoch fern und demonstrierten so, dass sie nicht mehr bereit sind, Draghi zu stützen.

Seine vor eineinhalb Jahren mitten in der Corona-Krise gebildete Regierung umfasste nahezu das gesamte politische Spektrum von der rechten Lega bis zu den linkspopulistischen und EU-kritisch eingestellten Fünf Sternen. Der Ministerpräsident hatte stets betont, dass es ihm nicht genüge, eine knappe Mehrheit hinter sich zu versammeln. Die Unterstützung müsse genauso stark sein wie zu Beginn seiner Regierungszeit.

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