Regierungsbildung in Italien:Populisten an der Macht

Neue Regierung in Italien: Im zweiten Anlauf vereidigte Staatspräsident Sergio Mattarella am 1. Juni 2018 das neue Kabinett von Ministerpräsident Giuseppe Conte.

Im zweiten Anlauf hat es geklappt mit Italiens neuer Regierung von Cinque Stelle und Lega.

(Foto: AFP)
  • Nachdem die Regierungsbildung in Italien zunächst gescheitert war, haben sich Cinque Stelle und Lega erneut auf eine Regierung verständigt.
  • Die neue Regierung, wieder mit Giuseppe Conte als Premierminister, ist bereits vereidigt.
  • Der umstrittene Kandidat für den Posten des Finanz- und Wirtschaftsministers, Paolo Savona, wird Europaminister.

Von Oliver Meiler, Rom

Nach 89 Tagen politischer Wirren und Kämpfe ist Italiens populistische Koalitionsregierung aus Cinque Stelle und Lega am Freitag in Rom vereidigt worden. Die Börsen reagierten positiv auf die Lösung der Blockade, wohl, weil baldige Neuwahlen die politische Instabilität Italiens nur bedrohlich verlängert hätten. In der langen Phase der Regierungsbildung hatten die Partnerstaaten der Europäischen Union und die Akteure an den Finanzmärkten mit wachsender Verwunderung auf Italien geschaut. Man war besorgt über die wirtschaftspolitischen Pläne der Populisten, die offenbar über einen Austritt Italiens aus dem Euro nachdachten.

Die Zusammensetzung des neuen Kabinetts verheißt nun Entspannung, vor allem in außenpolitischen Fragen. Der neue Premierminister ist Giuseppe Conte, 53 Jahre alt, Professor für Zivilrecht und den Italienern noch ziemlich unbekannt. Politisch ist Conte unerfahren, er hat noch nie an Wahlen teilgenommen und gilt zunächst einmal als Befehlsempfänger seiner beiden Stellvertreter: Luigi Di Maio, "Capo politico" der Fünf Sterne, und Matteo Salvini, Sekretär der rechtsnationalen Lega. Sie haben sich gegenseitig als Regierungschefs verhindert. Es wird erwartet, dass die beiden sich auch in der Regierung so aufführen werden, als sei Wahlkampf, und viel Geld für die Umsetzung ihrer Versprechen ausgeben wollen.

Der neue Innenminister Salvini kritisiert Juncker

Di Maio amtiert zusätzlich als Arbeits- und Industrieminister und wird den sogenannten Bürgerlohn einführen wollen, ein teures Paradethema seiner Partei. Salvini wird Innenminister und machte zu Beginn klar, dass er den staatlichen Fonds für Aufnahme und Unterbringung von Migranten radikal kürzen und das Geld für die Repatriierung von Flüchtlingen einsetzen werde.

Die Italiener, sagte Salvini außerdem, würden es sich fortan nicht mehr bieten lassen, wie "Diebe, Bettler, Taugenichtse und Parasiten" behandelt zu werden. Die Kritik war unter anderem an EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gerichtet, der in einem Interview mit etwas flapsiger Sprache einige chronische Missstände Italiens angesprochen hatte.

Die Beziehungen zwischen Rom und Brüssel werden ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. Auf Druck von Staatspräsident Sergio Mattarella gab es einige bedeutsame Personalrochaden im neuen Kabinett, die das Ausland beruhigen sollen. Italienischer Wirtschafts- und Finanzminister wird der 69 Jahre alte römische Wirtschaftsprofessor Giovanni Tria, ein Mann mit bürgerlich-liberaler Gesinnung. Er gilt als "kritischer Europäer". Einen einseitigen Austritt aus dem Euro hält er für ein riskantes Wagnis: Das koste nur und bringe nichts, sagte er einmal.

"Es existiert in Italien keine politische Kraft, die den Euro verlassen will", fügte er am Freitagabend in Rom hinzu.

Außenminister Moavero Milanesi gilt als Europafreund

Kürzlich kritisierte Tria die ungedeckten, auf mehr als 100 Milliarden Euro geschätzten Neuausgaben im Regierungsprogramm der Populisten. Insbesondere die Kosten für die Einführung eines Bürgerlohns und die geplante Rentenreform hält er für falsch. Als Schatzminister ist er dafür verantwortlich, den Haushalt so zu gestalten, dass Italien die Defizitvorgaben der EU nicht verletzt, wie das die beiden Parteien angedroht hatten. In Brüssel wird man in Zukunft oft auch Paolo Savona begegnen, dem verhinderten Finanzminister: Der Ökonom ist Italiens neuer Europaminister. Da er als ein radikaler Kritiker des Euro und Deutschlands gilt, sind Reibungen erwartbar.

Damit diese Differenzen im Rahmen des diplomatischen Kanons bleiben, steht dem Außenministerium ein ausgewiesener Europafreund vor: Enzo Moavero Milanesi hat in hoher Funktion für die EU gearbeitet und war früher in zwei italienischen Regierungen Europaminister. Er gilt als ausgleichende Kraft und als Garant dafür, dass Italien den internationalen Verpflichtungen nachkommen wird. Das Ausland wird es also fast ausschließlich mit Herrschaften aus Italien zu tun bekommen, die weder der Lega noch den Cinque Stelle angehören: Premier Conte und die Minister Tria, Moavero und Savona sind allesamt parteilos. Die Populisten haben für viele Rollen kein passendes Personal.

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