Neues Kabinett in Rom:Zeichen der Hoffnung

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Der Neue ist der Alte: Italiens Premier Giuseppe Conte (Foto: dpa)

Die neue Regierung muss die Bürger überzeugen, dass das Allgemeinwohl nicht nur eine Fata Morgana ist. Nur so kommt das Land aus der Krise - und entgeht der radikalen Rechten.

Kommentar von Stefan Ulrich

Italien ist ein im Kern konservatives, individualistisches Land. Das eigene Heil, das der Familie und vielleicht noch der Heimatgemeinde liegt vielen Italienern unendlich näher als ein nationales Allgemeinwohl, das wie eine Fata Morgana erscheint. Und die Regierenden konnten die Bürger meist nicht davon überzeugen, dass sie selbst dem Gemeinwohl dienen. Zu viel Korruption, zu viel Postengefeilsche, Nepotismus, destruktive Parteilichkeit. Viele Italiener wählen daher nicht unbedingt die Politiker, von denen sie sich am meisten für das Land erhoffen, sondern jene, die sie am wenigsten stören, etwa durch das Eintreiben von Steuern.

Für die Linke ist so ein Land kein gutes Terrain. Und die Fragmentierungslust der Linken trägt noch das Ihre dazu bei, dass deren Regierungen meist nur kurz Bestand hatten. 2006 schaffte es etwa Romano Prodi, die Rechte unter Silvio Berlusconi zu besiegen. Der Preis: Er musste mit fast einem Dutzend Partnern regieren - darunter Sozialisten, linke Christdemokraten, Grüne und zwei konkurrierende kommunistische Parteien. Prodi scheiterte nach nicht einmal zwei Jahren.

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Nun kommt die Linke wieder an die Macht. Erneut ist der Preis hoch. Der sozialdemokratische Partito Democratico wagt eine Koalition mit den populistischen Fünf Sternen. Beide Parteien haben sich über Jahre brutal bekämpft. Ihre Programme waren bislang disparat, etwa was Europa, das Budget oder Sozialreformen angeht. Zudem haben die Sterne in ihrer gescheiterten Koalition mit der rechtsnationalistischen Lega eine zum Teil rassistische, europafeindliche und finanzpolitisch halsbrecherische Politik mitgetragen. Und mit diesen Sternen sollen die Sozialdemokraten nun erfolgreich regieren?

Ihnen bleibt nichts Besseres. Neuwahlen würden eine ultrarechte Allianz unter Führung des präfaschistisch wirkenden Matteo Salvini an die Macht in Rom bringen. Die Sozialdemokraten müssen es also versuchen, mit den Fünf Sternen auszukommen, sie zu mäßigen und deren Realitätssinn zu fördern. Und das in dem Wissen, dass die radikale Rechte nur darauf lauert, dass die neue Regierung scheitert und Salvini das ganze Land zufällt.

Italien hat das Potenzial für viel mehr Wirtschaftskraft

Diese Bedrohung könnte auch ihr Gutes haben - wenn sie die künftigen Regierungspartner diszipliniert. Zeichen der Hoffnung gibt es. So haben sich Sozialdemokraten und Sterne auf eine europafreundliche Politik verständigt. Es liegt an der EU, dies zu bestärken. Ja, Italien muss seine Finanzen sanieren, aber zur richtigen Zeit und im richtigen Tempo. Heute könnte die EU dem wachstumsschwachen, mit horrender Jugendarbeitslosigkeit geschlagenen Land etwas Luft geben, sofern die Regierung das Geld vernünftig investiert: nicht in Zuwendungen an die Wählerklientel der Parteien, sondern in Infrastruktur, Forschung, Schulen sowie in Justiz und öffentliche Verwaltung.

Italien hat das Potenzial für viel mehr Wirtschaftskraft, Wohlstand und Einfluss in Europa, als ihm derzeit zukommen. Es ließe sich ausschöpfen, falls sich die Italiener auf schwierige Reformen einlassen. Dazu waren sie in den vergangenen Jahrzehnten nicht bereit. Wer beherzt reformierte wie der Sozialdemokrat Matteo Renzi, wurde rasch wieder abgewählt.

Die neue Regierung wird wohl nur reüssieren, falls sie die Italiener davon überzeugt, dass das Gemeinwohl keine Fata Morgana ist - sondern die Voraussetzung dafür, dass es den Bürgern und ihren Familien langfristig gut geht.

© SZ vom 05.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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