Italien:Eine inszenierte Regierungskrise?

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Wandmalerei in Mailand: die Minister Di Maio (links) und Salvini (Foto: Miguel Medina/AFP)
  • Die italienischen Regierungsparteien Lega und Cinque Stelle streiten sich so heftig, dass Beobachter vermuten, die Koalition könnte zerbrechen.
  • Hinter den Auseinandersetzungen könnte aber auch ein wahltaktisches Manöver stecken, um vor der Europawahl die Unterschiede zwischen den Parteien deutlich zu machen.

Von Oliver Meiler, Rom

Es wäre nun verlockend, österliche Metaphern zu bemühen. Die Via Crucis zum Beispiel, den Kreuzweg. Aber passt das Bild? Die Italiener rätseln über ihre beiden Regierungsparteien, die rechte Lega und die Cinque Stelle. Die ziehen in diesen Tagen der Einkehr in einer Schärfe übereinander her, dass man annehmen muss, das erste reine Populisten-Kabinett in der Geschichte Europas stehe schon kurz vor dem Aus; nach weniger als einem Jahr an der Macht. Aus den "Retroscene" der Zeitungen, den Berichten von den Hinterbühnen der Politik, einem beliebten und nicht immer verlässlichen Genre der italienischen Presse, erfahren die Leser, dass Matteo Salvini und Luigi Di Maio, die beiden Vizepremiers und Parteichefs, nicht mehr miteinander reden.

Aber ist der Streit auch echt? Oder ist er nur gespielt, wahltaktisch inszeniert? Jüngster Umstand sind zwei heikle Enthüllungen über Exponenten der Parteien, je eine pro Seite, die, so sie wahr sind, beide das Zeug haben für eine ausgewachsene Krise. Eine Geschichte handelt von Armando Siri von der Lega, Staatssekretär im Transportministerium, ein sehr enger Vertrauter Salvinis. Siri ist dessen wirtschaftlicher Berater. Wäre es nach Salvini gegangen, wäre Siri im vergangenen Sommer Wirtschafts- und Finanzminister geworden. Das Ansinnen scheiterte aber auch daran, dass der Genuese, früher Journalist, vor einigen Jahren wegen betrügerischen Bankrotts zu einer Haftstrafe verurteilt worden war: ein Jahr und acht Monate auf Bewährung. Für das angestrebte Amt war das nicht eben ideal.

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Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit. Siri, so die These, soll angeblich 30 000 Euro erhalten haben, damit er sich im Parlament in Rom für einen sizilianischen Unternehmer einsetzt, der mit Windenergie Geld macht und von dem man annimmt, dass er ein Strohmann von Cosa Nostra ist. Es gibt eine Audioaufnahme, die den Verdacht der Ermittler stärken soll. Außerdem kam der Gesetzesparagraf, für den Siri bezahlt worden sein soll, nicht durchs Parlament. Dennoch: Kaum war die Geschichte öffentlich, forderte Di Maio Siris Rücktritt. Moralisch sei der Fall dermaßen gravierend, sagte er, dass man den Gang der Justiz nicht erst abwarten müsse. Salvini hielt wütend dagegen. Sein Mann sei ein Ausbund an Ehrlichkeit.

Der zweite Fall handelt von Virginia Raggi, Roms Bürgermeisterin von den Cinque Stelle. Das Nachrichtenmagazin L'Espresso hat heimlich mitgeschnittene Gespräche zugespielt bekommen und sie ins Netz gestellt. Man hört da Raggi in recht herrischem Ton mit Lorenzo Bagnacani reden, dem früheren Chef der städtischen Müllabfuhrgesellschaft Ama. Sie fordert diesen auf, die Buchhaltung von Ama zu fälschen und dann zu genehmigen, obschon es darin seit zwei Jahren eine offene Position über 18 Millionen Euro gibt. Er solle das auch dann tun, wenn man ihm sage, der Mond sei flach.

"Die Regierung wankt" titelt eine bürgerliche Zeitung

In den Aufnahmen gibt Raggi zu, dass Rom "außer Kontrolle" sei und der Müll ein echtes Problem. Die Bürger würden nicht akzeptieren, dass man ihnen jetzt noch die Abfallsteuer erhöhen würde. "Wenn die Römer aus dem Fenster schauen, sehen sie Scheiße", sagt sie. Bagnacani, der einst aus Reggio Emilia geholt worden war, um den Notstand in der Hauptstadt zu beheben, mochte sich Raggis Diktat nicht beugen. Kurz darauf wurde er entlassen. Die Lega fordert nun ihrerseits, Raggi müsse zurücktreten. Subito, sofort.

So geht das hin und her. Der bürgerliche Corriere della Sera titelte am Karfreitag: "Die Regierung wankt." Die linke Zeitung La Repubblica schreibt von einem "Bruderkrieg", wie man ihn selbst in Italien noch nie erlebt habe.

Die Frage aber bleibt: Streiten sie wirklich, oder tun sie nur so? In einem Monat finden Europawahlen statt. Davor wollen beide Parteien ihr Profil schärfen und ihre Unterschiede hervorheben, und das möglichst plastisch. Die Fünf Sterne werfen Salvini nun plötzlich vor, er führe sich auf wie ein "Vogt aus dem Faschismus", nachdem sie davor dessen harte Linie gegen Migranten mitgetragen haben. Salvini wiederum verpasst keine Gelegenheit, das Bürgergeld zu hinterfragen, das Paradethema der Cinque Stelle. Und während sie so streiten, ist das befreundete Ausland besorgt über die prekäre Verfassung der italienischen Wirtschaft.

© SZ vom 20.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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