Italien:Nur Renzi fehlt

Italien: Das Glöckchen für den Neuen: Der bisherige Ministerpräsident Matteo Renzi (rechts) übergibt die Geschäfte an seinen Nachfolger Paolo Gentiloni.

Das Glöckchen für den Neuen: Der bisherige Ministerpräsident Matteo Renzi (rechts) übergibt die Geschäfte an seinen Nachfolger Paolo Gentiloni.

(Foto: Gregorio Borgia/AP)

Die neue Regierung von Paolo Gentiloni ist wie eine Kopie der alten, mehr Kontinuität ist kaum möglich. Aber das macht es der Opposition leicht.

Von Oliver Meiler, Rom

Düstere Mienen, halb leere Ränge, kaum Applaus. Selten haben Italiens Abgeordnete einen neuen Premier so nüchtern empfangen wie diesen: Paolo Gentiloni, 62, Römer aus aristokratischem Geschlecht. Ein großer Teil der Opposition hatte die Aula schon verlassen, bevor Gentiloni seine Regierungserklärung begann. Auf den Bänken der Regierung saßen die frisch vereidigten Minister mit demonstrativer Langeweile, manche tippten während der ganzen Rede auf ihrem Handy herum.

Der Neue hat sich auch nicht viel Mühe gegeben, sein Publikum mitzureißen. Er führe eine "Regierung der Verantwortung" an, sagte Gentiloni ohne jede Emphase, die dringendste Priorität liege beim Wiederaufbau der Dörfer in Mittelitalien, die von Erbeben zerstört worden seien. Wichtig sind natürlich auch die Wirtschaft, die Banken, die Immigration, die sozialen Probleme im Süden, dem Mezzogiorno. "Wir sind stolz auf das Erreichte", sagte der bisherige Außenminister. Die vergangenen Jahre hätten wichtige Reformen und Innovationen gebracht, die er nun fortführen wolle. Auch der Schlussapplaus war dünn.

Am Abend sprach die Abgeordnetenkammer aber mit klarer Mehrheit Gentilonis Regierung das Vertrauen aus.

Der Senat sollte an diesem Mittwoch abstimmen. Italiens regierende Linke führt sich ein bisschen so auf, als wäre nichts passiert, als wäre sie nicht scharf korrigiert worden vom Volk. Zwar ist Matteo Renzi als Premier weg, wie er das für den Fall einer Niederlage beim Verfassungsreferendum angekündigt hatte. Er ließ sich auch nicht dazu überreden, es noch einmal zu versuchen, mit einem "Renzi II", wie sich das Staatspräsident Sergio Mattarella gewünscht hatte, um Brüssel und der Welt reformerische Kontinuität zu signalisieren. Doch die neue italienische Regierung erinnert so sehr an die alte, dass die Zeitung La Repubblica titelt: "Die Kopie einer Regierung." Dreizehn Minister bleiben und behalten bis auf wenige Ausnahmen ihre bisherigen Zuständigkeiten. Außenminister wird der bisherige Innenminister Angelino Alfano, von dem nicht bekannt ist, dass er von seinem neuen Betätigungsfeld viel versteht. Nur fünf Minister kommen neu dazu.

Vor allem aber werden die wichtigsten Persönlichkeiten aus dem inneren Zirkel des "Renzismo" auch künftig im Kabinett sitzen. Sie sorgen für eine Standleitung zum Zurückgetretenen, der bereits auf Revanche brennen soll. Maria Elena Boschi, die einst viel beschriebene und feierlich besungene Ministerin für Reformen, verliert ihr Ressort, kehrt aber als Untersekretärin am Sitz des Ministerpräsidenten zurück - eine strategische Position, für viele gar eine Beförderung. Luca Lotti, Renzis engster Vertrauter, wird Minister für Sport, weil man wohl kein anderes Ressort fand, und bleibt so mittendrin. Bei der Vereidigung stand Lotti gleich neben Gentiloni. Kritiker sehen in ihm einen "Aufpasser" in Renzis Diensten, manche gar einen "Wadenbeißer". Selbst der Spin Doctor und Sprecher des Ex-Premiers bleibt: Filippo Sensi wird nun in derselben Funktion auch dem neuen Regierungschef zur Seite stehen.

Die europakritischen Fünf Sterne rechnen sich aus, dass ihre Popularität nun weiter steigt

Mehr Kontinuität war kaum möglich. Die Mailänder Zeitung Corriere della Sera fasste die Regierungsbildung in eine treffende Zeichnung ihres Hauskarikaturisten Giannelli. Darauf sieht man Gentiloni, wie er Mattarella seine Liste mit den Ministernamen unterbreitet, worauf der Präsident sagt: "Es fehlt Renzi!"

Die jüngste Entwicklung macht es der Opposition leicht. Fast einhellig wirft sie dem sozialdemokratischen Partito Democratico vor, er klammere sich mit Clownereien und listigen Palastmanövern an der Macht fest. Der frühere Komiker Beppe Grillo, Gründer und Chefdenker der Bewegung Cinque Stelle, nennt Gentiloni nur noch "Renziloni". Man rechnet sich bei den europakritischen Fünf Sternen aus, dass ihre Popularität nun weiter steigt. Auch Skandale, wie sie etwa ihre Bürgermeisterin in Rom umwehen, schmälern die Gunst bisher nicht. In jüngsten Umfragen haben sie den Partito Democratico überholt: 31,5 Prozent der Befragten sagen, sie würden Cinque Stelle wählen, würde morgen gewählt, gegen 29,8 Prozent für Renzis Partei.

Doch so bald wird nicht gewählt. Dazu braucht es zunächst neue Wahlgesetze für die Bestellung von Senat und Abgeordnetenkammer. Und die müssten im tief gespaltenen Parlament erarbeitet werden. Gentiloni sagte, er werde so lange weiterregieren wie ihn eine Mehrheit im Parlament stütze. Das ist sein gutes Recht, Italien ist eine parlamentarische Republik. Im Volk aber könnte die Zustimmung jeden Tag etwas mehr schwinden.

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