Deutschland und Italien:Auf der Suche nach einer europäischen Antwort

Deutschland und Italien: Giorgia Meloni empfängt Olaf Scholz in Italien. Es ist der erste Besuch des Kanzlers in Rom seit dem Amtsantritt Melonis.

Giorgia Meloni empfängt Olaf Scholz in Italien. Es ist der erste Besuch des Kanzlers in Rom seit dem Amtsantritt Melonis.

(Foto: Michael Kappeler/dpa)

Erstmals trifft Kanzler Scholz Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni in Rom. Über die festgesetzten deutschen Seenotrettungsschiffe haben sie nicht gesprochen, sagt Meloni.

Von Daniel Brössler, Rom

Die Alpen, teils schneebedeckt, sind jedenfalls noch da. Um sicher zu gehen, genügt ein kurzer Blick aus dem Flugzeugfenster. Aus gehöriger Höhe kann sich der Bundeskanzler vom ordnungsgemäßen Zustand der europäischen Geografie überzeugen. Olaf Scholz ist auf dem Weg nach Rom. Das fügt sich, denn zu Wochenbeginn hatte er noch laut darüber nachgedacht, ob Deutschland womöglich über eine große, bisher unentdeckte Küste am Mittelmeer verfügt. 80 Prozent derjenigen, die in Deutschland Asyl beantragten, seien schließlich "nirgendwo vorher registriert worden". Es war des Kanzlers Art auf den Umstand hinzuweisen, dass Mittelmeer-Anrainer Asylsuchende ungeprüft nach Deutschland durchwinken. Mittelmeer-Anrainer wie Italien.

Womit bereits ein zentrales Thema gesetzt gewesen wäre für den ersten Besuch des Kanzlers bei der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni am Donnerstag. Wir dürften "Italien und die anderen nicht alleine lassen, sondern verfolgen einen Ansatz von Solidarität und Verantwortung" schickte Scholz seiner Visite in einem Interview mit der Zeitung Corriere della Sera allerdings schon etwas versöhnlicher voraus.

Die Migrationspolitik setzt beide innenpolitisch unter Druck

Vereint sind der sozialdemokratische Kanzler und die postfaschistische Ministerpräsidentin erst einmal im Wunsch, ein Problem zu lösen, durch das sie innenpolitisch immer stärker unter Druck geraten. Ihr Wahlkampfversprechen, Italien vor Bootsflüchtlingen abzuschotten, konnte Meloni bisher nicht einlösen. Stattdessen steigen die Zahlen. Scholz wiederum hat es mit dem Frust von Ländern und Kommunen zu tun, die sich überfordert fühlen durch die stetig steigende Zahl von Menschen, die versorgt werden müssen - Flüchtlingen vor dem russischen Angriffskrieg ebenso wie Menschen, die über das Mittelmeer nach Europa kommen.

Ohnehin war Scholz von Anfang an entschlossen gewesen, mit der neuen italienischen Rechtsregierung pragmatisch zusammenzuarbeiten. Das zeigte sich schon beim Antrittsbesuch von Meloni im Februar in Berlin. Davon zeugt am Donnerstag nun auch der freundliche Händedruck der beiden im Palazzo Chigi. Meloni spricht denn auch nach einem Gespräch, das etwa eine Stunde länger dauert, als geplant, von einem "gemeinsamen Nenner" in der politischen Agenda. Deutschland wisse "genau", dass es ohne Italien keine Lösung in der Migrationspolitik gebe, sagt Meloni. Woraufhin sie gleich auf das zu sprechen kommt, was sie einen "Paradigmenwechsel" nennt. Nicht die Verteilung der Flüchtlinge über die EU-Länder führe zum Ziel, sondern die "Verteidigung" der Außengrenzen. In den EU-Verhandlungen darüber hoffe sie, "dass wir uns wenigstens auf halbem Wege treffen".

Scholz ist eine optimistische Note bei dem Treffen mit Meloni wichtig

Die Frage, ob sie mit Scholz auch über die von italienischen Behörden festgesetzten deutschen Seenotrettungsschiffe Sea-Eye 4 und Mare Go gesprochen habe, verneint die Ministerpräsidentin. Sehr wohl aber habe man darüber gesprochen, dass Italien praktisch im Alleingang im Mittelmeer unterwegs sei, um Leben zu retten. "Objektiv gesagt leistet Italien hervorragende Arbeit", erklärt Meloni ein wenig gereizt. Es werde nicht gelingen, erklärt sie, das Problem zu lösen, "wenn man es auf die Partner abwälzt".

Dem schließt sich Melonis deutscher Gast nur zu gerne an. Die Herausforderung werde man nur gemeinsam lösen, betont Scholz. "Alle Versuche mit dem Finger auf andere zu zeigen, werden scheitern", fügt der Kanzler hinzu. Scholz würdigt, was Italien leiste, erinnert aber auch noch einmal daran, dass 80 Prozent der Asylsuchenden Deutschland ohne vorherige Registrierung erreichten. Das sei "klar".

Wichtig aber ist Scholz eine optimistische Note. Er sei "zuversichtlich", dass man eine europäische Antwort finden werde, sagt er, auf die Herausforderung durch Flucht und Migration. Aus Luxemburg, wo zeitgleich die EU-Innenminister um Kompromisse in der Asylfrage ringen, gibt es zu diesem Zeitpunkt noch keine Nachricht. Im Herbst wird Meloni in Berlin erwartet - zu deutsch-italienischen Regierungskonsultationen. Darauf, sagt Scholz, freue er sich.

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SZ PlusDeutsch-italienische Beziehungen
:Olaf Scholz trifft Giorgia Meloni in Rom

Der erste Besuch des Bundeskanzlers bei der italienischen Regierungschefin soll helfen, das Migrationsthema auf europäischer Ebene voranzubringen.

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