Gerade noch hatte die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni beim EU-Gipfel in Brüssel mit ihrer Migrationspolitik politisch gepunktet, da steht ihr Konstrukt bereits vor dem Aus. Ein Gericht in Rom verfügte, dass alle Insassen des italienischen Flüchtlingslagers Gjader in Albanien unverzüglich nach Italien zu bringen sind. Ein Schiff der Küstenwache holte die zwölf Migranten aus der Hafenstadt Shengjin am Samstag wieder ab.
Die Regierung Meloni hatte in den vergangenen Monaten aufgrund eines Abkommens mit Albanien ein Ankunftslager im nordalbanischen Küstenort und ein nahegelegenes Aufenthaltslager im Städtchen Gjader bauen lassen, wohin auf dem Mittelmeer aufgegriffene Menschen direkt gebracht werden sollten, um dort über ihren Asylantrag zu entscheiden. Nur wer dabei erfolgreich sei, würde nach Italien weiterreisen dürfen, alle anderen Flüchtlinge sollten möglichst schnell in die Herkunftsländer abgeschoben werden. Geplant ist, dass bis zu 36 000 Personen im Jahr durch die Lager geschleust werden. Nur die wenigstens sollen es bis nach Italien und damit in die EU schaffen.
Migranten können Einspruch gegen Ablehnung ihres Asylantrags einreichen
Italien ist damit der erste Staat der Europäischen Union, der Flüchtlinge in Lagern außerhalb der EU unterbringt. Dieses Projekt wurde zuletzt von immer mehr europäischen Regierungen und von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als innovativ und möglicherweise vorbildhaft bewertet. Nun geriet es durch das Gerichtsurteil vom Freitag bereits unter Druck, kaum dass der Brüsseler Gipfel, der wesentlich im Zeichen der Migrationspolitik stand, beendet war.
Die für Einwanderungsfragen zuständige Kammer in Rom verweist auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 4. Oktober 2024, wonach Länder nur dann „sicher“ seien, wenn dies für ihr gesamtes Staatsgebiet gelte. Entsprechend hatte die italienische Marine beim ersten Einsatz von 85 aus vier Lastkähnen geretteten Personen nur 16 Männer aus Bangladesch und Ägypten ausgewählt, zwei Staaten mit vergleichsweise geordneten Strukturen. In einem Schnellverfahren wurde ihnen das Asyl verweigert. Die Richter in Rom überzeugte das nicht, auch Menschen aus diesen Ländern müssten ihr Verfahren geordnet und auf dem italienischen Festland erhalten.
Ohnehin waren nur noch zwölf der ursprünglich 16 Migranten betroffen, vier sind bereits zuvor nach Italien gebracht worden, weil sie entweder minderjährig sind (im Lager sollen nur erwachsene Männer untergebracht werden) oder gesundheitliche Probleme haben.
In Italien haben die Migranten zwei Wochen Zeit, gegen die Ablehnung des Asylantrags Einspruch einzulegen. Das anschließende Verfahren dauert üblicherweise Monate. In dieser Zeit werden die Männer in Italien bleiben – genau das wollte die Regierung Meloni mit dem Albanien-Verfahren ändern.
Innenminister Matteo Piantedosi kündigte an, die Regierung werde in Berufung gehen und notfalls alle Instanzen bemühen. Ministerpräsidentin Meloni setzte für Montag eine Kabinettssitzung an, um eine Reaktion abzustimmen. Während eines Libanonbesuchs sagte sie am Freitagabend, die Regierung müsse möglicherweise genauer darlegen, was mit sicheren Herkunftsländern gemeint sei.
Die Opposition dagegen nannte Melonis Vorhaben, künftig über Asylanträge außerhalb Italiens und der EU entscheiden zu lassen, „gescheitert“. Es sei eine „Schande“, dass dafür 800 Millionen Euro verschwendet würden, die anderswo fehlten.