Haushaltsdefizit:Italien will mehr Schulden machen

FILE PHOTO: Italian Economy Minister Giovanni Tria attends during his first session at the Lower House of the Parliament in Rome

Italiens parteiloser Finanzminister Giovanni Tria warnte seine Regierung vor noch mehr Schulden - schlussendlich vergeblich.

(Foto: REUTERS)
  • Die italienische Regierung hat sich darauf geeinigt, im kommenden Jahr deutlich mehr Schulden zu machen.
  • Die Koalitionspartner Lega und Cinque Stelle einigten sich am Donnerstagabend darauf, ein Defizit von 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzupeilen.
  • Angesichts der horrenden Schulden, die bereits auf dem italienischen Staat lasten, könnte die nun geplante Neuverschuldung die Finanzmärkte und den Euro nachhaltig erschüttern

Von Oliver Meiler, Rom

Italiens populistische Regierung fordert mit ihrem Haushaltsplan die Europäische Union frontal heraus. Nach tagelangem Hin und Her einigten sich die Koalitionspartner Lega und Cinque Stelle am Donnerstagabend darauf, ein Defizit von 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzupeilen. Das liegt weit über den Zielvorgaben, die mit Brüssel ausgemacht waren. Angesichts der horrenden Schulden, die bereits auf dem italienischen Staat lasten, könnte die nun geplante Neuverschuldung die Finanzmärkte und den Euro nachhaltig erschüttern. Doch das scheint die beiden Vizepremiers Luigi Di Maio von den Fünf Sternen und Matteo Salvini von der rechten Lega nicht zu kümmern.

Für 2019 hatte Rom ursprünglich mit der EU einen Fehlbetrag von 0,8 Prozent vereinbart - unter der sozialdemokratischen Vorgängerregierung. In Brüssel wäre man offenbar bereit gewesen, das Doppelte hinzunehmen: 1,6 Prozent. Doch das reichte den Populisten noch nicht aus. Die Lega hätte sich wohl mit rund 2 Prozent zufrieden gegeben, und damit hätten offenbar auch die Investoren leben können, die dann wieder Staatsanleihen kaufen sollen, damit überhaupt Geld da ist. Doch die Cinque Stelle bedrängten den parteilosen Finanz- und Wirtschaftsminister Giovanni Tria so lange, bis der nachgab.

Nun also steht da diese große Zahl: 2,4 Prozent

Di Maio sprach zuletzt gern von "numerini", was natürlich ironisch war. Bei den "kleinen Zahlen" handelt es sich um Dezimalstellen im neuen Haushaltsgesetz, die in Wahrheit für Milliarden Euro stehen. Di Maio sagte, ihm bedeuteten die Bürger mehr als die "numerini", er kämpfe für ein "Budget für das Volk". Bisher hätten die Regierungen nur auf die Finanzmärkte und Bürokraten des alten Systems gehört, das sei vorbei. "Wir hängen uns doch nicht auf wegen einer Dezimalstelle beim Defizit mehr oder weniger." Nun also steht da diese große Zahl: 2,4 Prozent.

In einem zweiten und politisch heikleren Schritt, der bis spätestens Mitte Oktober abgeschlossen sein muss, soll das veranschlagte Geld dann den einzelnen Posten und Wahlversprechen zugewiesen werden. Steuerreduktion mit einer "Flat Tax", Bürgerlohn und Rücknahme der Rentenreform: Summiert man nur die Kosten der drei wichtigsten Wahlversprechen von Lega und Cinque Stelle, wären mehr als hundert Milliarden Euro im Jahr nötig. Völlig utopisch. Da wundert es nicht, dass die Bündnispartner jetzt möglichst viel Gestaltungsmarge herausschlagen wollten, damit sie ihren Wählern wenigstens ein bisschen etwas von dem bieten können, was sie verheißen haben - je kleine Häppchen. Etwa eine "Flat tax" nur für Kleinunternehmer, eine zusätzliche Arbeitslosenhilfe, bessere Pensionen für wenige Bedürftige.

Die Frage ist nur: Lässt Brüssel das zu? Und: Wie reagieren die Finanzmärkte darauf? Wegen der politischen Instabilität hatten sich viele Investoren bereits zurückgezogen.

Tria galt den Märkten bisher als Garant gegen frivoles Haushalten

Tria und seine engsten Mitarbeiter im Finanzministerium standen seit Wochen unter Beschuss der Cinque Stelle, weil sie die Vorstellungen nicht einfach durchwinken mochten. "Was ist das nur für ein Minister, der das Geld für den Wandel nicht findet", sagte Di Maio, der selbst unter dem Druck der Parteibasis steht, die gerne Resultate sähe. Tria gab zurück, er habe bei der Amtsübernahme geschworen, sich allein vom nationalen Interesse leiten zu lassen, und genau das tue er. Jede Milliarde Defizit, die man jetzt zusätzlich mache, sagte Tria, verliere Italien wieder, wenn es höhere Schuldzinsen bezahlen müsse. Das klang vernünftig, wurde aber von den Kollegen ganz offensichtlich nicht geteilt.

Tria galt den Märkten und der Europäischen Kommission bisher als Garant gegen frivoles Haushalten. Die Fünf Sterne kritisierten den Minister gerade deshalb als Verhinderer und Vertreter jener vermaledeiten Kaste, die man gerne zum Teufel schicken würde. Unlängst wurden Audiobotschaften öffentlich, die der Sprecher des Regierungschefs, Rocco Casalino, versandt hatte. Casalino sprach darin von den "Scheißkerlen im Finanzministerium", die man feuern müsse, wenn sie nicht bald spurten. Gemeint waren Trias Beamten und die Zahlenexperten des Staates, die vor den Folgen einer wilden, ideologisch getriebenen Buchhaltung warnen. Jene Leute also, die etwas von den "numerini" verstehen.

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