Italien:Marionette versus Hampelmann

Das Land sieht sich in der EU zunehmend isoliert. Premierminister Conte erntet bei seiner Rede vor dem Europaparlament in Straßburg scharfe Kritik.

Von Oliver Meiler, Rom

Italiens Premier Giuseppe Conte musste sich bei seinem Auftritt am Dienstagabend im Europaparlament in Straßburg anhören, dass er eine "Marionette" seiner beiden Vizes sei, von Luigi Di Maio also, dem Chef der Cinque Stelle, und von Matteo Salvini von der rechten Lega. "Burattino" - Guy Verhofstadt, der Präsident der Liberalen, bemühte sich sogar, Italienisch zu sprechen, damit der Adressat ihn auch sicher richtig verstand. Im "burattino" schwingt auch das Wort Kasper mit. Conte konterte, wer so rede, der sei ein "Hampelmann der Finanzlobbys".

Die harschen Töne sind wohl das Präludium zur Kampagne vor den Europawahlen im Mai: Populismus gegen Establishment. Alle großen europäischen Parteien griffen die italienische Regierung an - die Volkspartei, die Sozialisten, die Liberalen, die Grünen, die extreme Linke. Nur von der extremen Rechten gab es etwas Unterstützung. Es wurden ihm außenpolitische Inkohärenzen vorgeworfen, etwa bei seiner unentschiedenen Haltung im venezolanischen Machtstreit. Rom stehe da unter dem Diktat des Kremls, hieß es. Natürlich gab es auch Kritik am italienischen Staatshaushalt: Nur die Schulden würden wachsen, sagte Manfred Weber, der deutsche Vorsitzende der Europäischen Volkspartei. Die Schließung der Häfen für gerettete Migranten, die Verteufelung der Hilfsorganisationen: das alles sei "unmenschlich".

Dass es so massiv wurde, hat Conte dann offenbar doch überrascht. Als die unwirtliche Debatte vorbei war, klagte der Premier, er sei doch nur der "Blitzableiter": Die Vorwürfe würden Salvini und Di Maio gelten, nicht ihm. In Italien fragt man sich nun jedenfalls, ob es jemals eine Zeit gegeben habe, da man so isoliert war in Europa wie gerade jetzt. Eine Zeitung titelt: "Ein Land, ganz allein." Vor sechzehn Jahren war es in Straßburg schon einmal zu einem denkwürdigen Showdown mit einem italienischen Regierungschef gekommen, von dem man alles sagen konnte, außer dass er ein Hampelmann war: Silvio Berlusconi lieferte sich einen epischen Schlagabtausch mit dem Sozialdemokraten Martin Schulz: Berlusconi fand, Schulz würde in einem Historienfilm über den Zweiten Weltkrieg einen perfekten "Kapò" abgeben, einen KZ-Wächter also. Die Szene hat einen Platz im Archiv italo-europäischer Verstimmungen. Doch Berlusconi war wenigstens ein überzeugter Europäer.

Die neuen Mächtigen in Rom dagegen stellen immer mal wieder die Fundamente der EU infrage. Salvini wirft den Partnerstaaten außerdem täglich mangelnde Solidarität vor, wenn es um die Verteilung der Zuwanderer geht - laut und mit einigem Recht. Wenn sich dann aber die europäischen Innenminister auf Gipfeln treffen, um über neue Programme und Abkommen zu reden, ist der Italiener fast nie dabei. Auch das meinte Conte, als er sich einen Blitzableiter nannte: Er zeigt immer sein Gesicht, glättet Wogen, redet mit allen, während seine politischen Chefs daheim Dauerwahlkampf betreiben, schimpfen und pöbeln.

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