Italien:Liebesgrüße aus Verona

Auf einem internationalen Kongress reden ultrakonservative Rechte über ihr Familienbild. Auch Italiens Innenminister Salvini tritt auf - doch sein persönlicher Lebensentwurf widerspricht dem Bild der Identitären.

Von Oliver Meiler, Rom

Die Stadt Verona verdankt ihren Weltruhm der Liebe zweier junger Menschen, die einander nicht lieben durften, weil ihre Familien sich hassten. William Shakespeares "Romeo und Julia" ist eine Tragödie. In den vergangenen Tagen fand nun in Verona, gewissermaßen unter dem Balkon der verbotenen Liebe, der "XIII. Weltkongress der Familien" statt. So nennt sich die internationale Veranstaltung religiös ultrakonservativer und rechtsextremer Kreise, die eine ganz genaue Vorstellung davon haben, wie das Zwischenmenschliche richtigerweise zu funktionieren hat.

Eigentlich geht für sie nur die "traditionelle Familie" mit Frau und Mann und eigenen Kindern. Abtreibung und Scheidung? Sind für sie des Teufels. Sex gehöre sich eigentlich nur fürs Kinderkriegen. Und Homosexualität gilt in diesen Kreisen als Pathologie, die sich allenfalls kurieren lasse - mit Gottes Hilfe. Die Wortführer der Bewegung, die in den Neunzigern von Evangelikalen in den USA gegründet worden war, erhielten nun in Italien eine Plattform wie kaum zuvor bei ihren zwölf Kongressen.

Salvinis Regierungspartner Cinque Stelle nennt den Kongress ein Treffen "von Fanatikern"

Das liegt unter anderem daran, dass in Verona auch prominente italienische Politiker auftraten. Etwa Giorgia Meloni, die Chefin der postfaschistischen Partei Fratelli d' Italia. Als Meloni in einem Interview gefragt wurde, wie sie, die unverheiratet mit dem Vater ihres Kindes lebe, es persönlich mit der traditionellen Familie halte, sagte sie: "Kümmern Sie sich um ihren eigenen Kram!" Ihre Rede in Verona kulminierte dann im Dreiklang: "Gott, Vaterland, Familie". Anwesend war auch Lorenzo Fontana, Italiens sehr konservativer Familienminister der rechtsnationalistischen Lega. Er hatte dem Anlass sogar die Patenschaft seines Ministeriums geschenkt, samt Logo. Auch Erziehungsminister Marco Bussetti war da, ebenfalls Lega. Natürlich konnte auch der Chef der Rechten nicht fehlen, Innenminister und Vizepremier Matteo Salvini. Der verpasst keine Gelegenheit, um mit den Extremen zu flirten, auch mit faschistischen Sprüchen aus der Zeit Mussolinis.

Salvini zog sich das T-Shirt der Veranstalter über und sagte, das Land brauche mehr Kinder, seine Regierung werde dafür sorgen, dass das auch möglich sei. Die "Legge 194" aber, wie in Italien das Abtreibungsgesetz von 1974 heißt, werde nicht abgeschafft. Der Applaus fiel verhaltener aus als bei Meloni. Aber dass Salvini da war, als starker Mann der Regierung, verlieh dem Kongress eine offizielle Legitimität.

Auch Salvinis persönlicher Lebensentwurf steht quer zum traditionellen Bild der identitären Bewegung, die in ihm einen Heilsbringer sieht. Salvini hat zwei Kinder von zwei Frauen. Nun ist er frisch verliebt in die Tochter des bürgerlichen Politikers Denis Verdini, die 20 Jahre jünger ist als er. Vater Verdini sagte dazu halb belustigt, halb ernst: "Kinder bringen eben auch Unglück über die Familie."

Für Salvinis Regierungspartner Cinque Stelle war der Kongress eine "Zusammenkunft von Fanatikern", von "frustrierten Rechten", vereint in einem "mittelalterlichen Denkstil". So beschrieb es Luigi Di Maio, der andere Vizepremier der populistischen Regierung und "Capo politico" der Fünf Sterne. Offensichtlich möchte er seine Partei vor den Europawahlen im Mai ideologisch wieder etwas von der Lega distanzieren. Die Zeitung Corriere della Sera sieht gar die Koalition am "Scheideweg", nach weniger als einem Jahr an der Macht.

In Verona marschierten am Wochenende Zehntausende gegen das Weltbild der Traditionalisten. Organisiert hatten den "Gegenkongress" feministische Vereinigungen, die Grünen, die Linken, Gewerkschaften. Man sah viel Rosa, die Regenbogenfarben und Slogans gegen den "zivilisatorischen Rückschritt".

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