Italien:Die Regierung in Rom versagt auf ganzer Linie

Italien: Schon am Ende? Italiens Vizepremierminister Luigi Di Maio (vorne) und Matteo Salvini (Archivbild)

Schon am Ende? Italiens Vizepremierminister Luigi Di Maio (vorne) und Matteo Salvini (Archivbild)

(Foto: AP)

Die populistische Koalition ist zerstritten und muss für ihre teuren Wahlversprechen viel Geld auftreiben. Sie könnte versucht sein, sich schon bald aus der Verantwortung zu stehlen.

Kommentar von Oliver Meiler, Rom

Ist die italienische Regierung schon am Ende? Von einer veritablen Regierungskrise mögen zwar weder die Cinque Stelle noch die rechte Lega reden, die beiden populistischen Komponenten im römischen Kabinett. Das wäre ja auch töricht, denn in zweieinhalb Wochen finden Europawahlen statt, und da macht sich das Eingeständnis des eigenen Scheiterns nicht so gut. Doch für die Zeit gleich nach den Wahlen mag niemand mehr garantieren. Bedenkt man all die Streitereien der vergangenen Wochen, alle Vorwürfe und Verwünschungen, die politischen und persönlichen Distanzierungen, dann fragt man sich schon, wie sich Luigi Di Maio und Matteo Salvini, die beiden mächtigen Vizepremiers, jemals wieder verstehen wollen.

Der Streit um die Entlassung von Staatssekretär Armando Siri, einem Getreuen Salvinis, dem Bestechlichkeit und Nähe zur sizilianischen Mafia vorgeworfen wird, ist das gravierendste Zerwürfnis in einer langen Serie. Die Cinque Stelle, Sieger im aktuellen Streit, spielen sich nun wortgewaltig als Moralisten auf - in der Hoffnung, die Wähler würden sich an die Wurzeln der Bewegung erinnern, ihr Aufbegehren gegen das korrupte Establishment. Das geriet in den vergangenen Monaten, da Salvini mit seiner zynisch fremdenfeindlichen Politik die Bühne allein bespielte, etwas in Vergessenheit.

Die Lega wiederum, die ihre größte Niederlage erleidet seit sie vor einem Jahr an die Macht gelangte, erneuert schnell ihre Forderung nach einer Flat Tax, einem einheitlichen und tiefen Steuersatz für alle also, wie sie vor allem im reichen Norden des Landes beliebt wäre. So will man die Schmach im "Fall Siri" wegwischen.

Es sind nur kleine Manöver, unbeholfene Profilierungsversuche vor den Europawahlen. Das Versagen der Populisten aber ist ein politisches und umfassendes. Di Maio und Salvini müssen die Ernte ihrer eigenen Saat fürchten: Italiens Wirtschaft stagniert, die Schulden steigen, die Investitionen gehen zurück. Im kommenden Herbst müssen sie sehr viel Geld auftreiben, um die versprochenen Geschenke für das Wahlvolk finanzieren zu können, den Bürgerlohn und die Frührenten - aber wo nur?

Finanz- und Wirtschaftsminister Giovanni Tria räumte vor einigen Tagen ein, man sei auf der Suche nach "gewaltigen Ressourcen". Doch ohne eine massive - und massiv unpopuläre - Anhebung der Mehrwertsteuer wird es nicht gehen. Darum ist bei Salvini und Di Maio die Versuchung wohl groß, sich vorher aus der Verantwortung zu stehlen. Sehr bald schon, mit der einen oder anderen fadenscheinigen Ausrede.

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