Italien:Kirche zu mieten

Zum Verdruss der Römer nutzt der Vatikan Fassaden von Basiliken und Palästen als riesige Werbeflächen.

Von Oliver Meiler

Die Römer haben ein kompliziertes Verhältnis zur Moderne, besonders zur architektonischen und ästhetischen. Es ist gar so, dass ihnen grelle Töne und scharfe Kanten im alten Zentrum wie Entweihungen vorkommen, wie Sakrilege am Vermächtnis der hehren Ahnen. Dass nun ausgerechnet die katholische Kirche derlei Sünde auf sich lädt, ist natürlich ironisch. Mittlerweile vermietet der Vatikan nämlich fast alle Fassaden seiner prächtigen Kirchen und Palazzi, die renoviert und dafür eingehüllt werden, an Werbekunden. Und die hängen dann gigantische Werbeplakate auf, sogenannte "Maxi manifesti", die alles dominieren, das ganze liebliche Stadtbild.

Über dem Portal zur Scala Santa, der Heiligen Treppe, neben der Erzbasilika San Giovanni in Laterano, wirbt jetzt ein japanischer Konzern für sein neues Motorrad, das vor allem in den Steppen Afrikas ganz toll fahren soll. Dazu ein Werbeslogan, der die Kirche subtil herausfordert: "Erweitere deine Horizonte". Auf der Fassade des Palazzo della Cancelleria, Sitz der vatikanischen Gerichte beim Campo de' Fiori, preist eine spanische Fluggesellschaft ihre Billigflüge "ab 29,99 Euro" zu Partydestinationen - in schrillem Gelb. An der Kirche Santa Maria di Loreto wiederum prangt das Poster eines neuen Kinofilms: "Sono tornato" ist Italiens Antwort auf den deutschen Streifen "Er ist wieder da" und verhandelt auf halb komische, halb nachdenkliche Weise die Frage, was wohl wäre, wenn Benito Mussolini zurückkehrte. Die Platzierung der Werbung ist doppelt ironisch: Santa Maria di Loreto steht an der Piazza Venezia, gegenüber dem berühmten Balkon, auf dem sich der Faschistenführer für seine polternden Reden aufbaute.

"Diese Plakate", schreibt die römische Zeitung La Repubblica, "sind offene Wunden." Die katholische Zeitschrift Famiglia Cristiana erhält Briefe von Lesern, die finden, der Vatikan "schände" Rom. "Ob der Papst davon weiß?", fragt einer. Man muss es annehmen, denn mit den Werbeeinnahmen deckt die Kirche einen stattlichen Teil der Renovierungskosten. Vielleicht bleibt sogar noch etwas übrig. Und so hängt auch der Verdacht über der Stadt, dem Bauherrn hinter dem heiligen Gemäuer sei es gar nicht so eilig mit dem Auffrischen seiner Schönheiten.

Roms Gemeindeverwaltung beschwert sich regelmäßig darüber, dass die Kirche keine Steuern entrichte auf die Werbeeinnahmen und dass sie die strengen Vorschriften der Kulturintendanz missachte. Doch das Lamento verhallt. Seit den Lateranverträgen von 1929, die alle Fragen nach der Trennung von Staat und Kirche regeln sollten, ist der Vatikan in Rom auch jenseits des Petersplatzes da und dort Herr. San Giovanni und der Palazzo della Cancelleria etwa sind extraterritorial. Wenn schon, dann müsste Italiens Regierung beim Papst vorstellig werden. Sehr wahrscheinlich ist das nicht.

Vor einigen Jahren vermietete der Vatikan auch mal die Fassade der Kirche Gran Madre di Dio beim Ponte Milvio. Dort, auf der Piazza bei der Tiberbrücke, begeht die Jugend ihre Wochenendnächte, oft recht begossen. Auf dem Plakat an der Großen Mutter Gottes warb, sehr passend, eine deutsche Großbrauerei.

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