In Italien zeichnet sich nun doch die Bildung einer Regierung ab, die nur aus Mitgliedern zweier systemkritischer, europaskeptischer Parteien bestehen würde. Am Donnerstag nahmen die rechtsnationale Lega und die Protestbewegung Cinque Stelle ihre Verhandlungen auf. Sie wollen sich bis Montag Zeit lassen, ein gemeinsames Programm zu erarbeiten und ein Kabinett zu erstellen.
Möglich wurde diese neuerliche Wendung in dem seit mehr als zwei Monaten dauernden Ringen um eine Regierung, nachdem Silvio Berlusconi, Chef der bürgerlichen Forza Italia, sein Veto gegen die Gespräche zurückgezogen hatte.
Über die Hintergründe der überraschenden Volte wird viel spekuliert. Offenbar fürchtet Berlusconi, dass seine Partei bei Neuwahlen, wie sie bei andauernder Blockade bald nötig wären, noch mehr Wähler verlieren würde - an die Lega, seinen radikaleren Partner im Rechtsbündnis. Alle Umfragen der vergangenen Wochen deuteten darauf hin. Politik-Analysten nehmen auch an, dass Berlusconi an sein Einlenken Bedingungen geknüpft hat, zum Beispiel für die Besetzung der Ministerposten und einige politische Entscheidungen, etwa solche, die sein Mediengeschäft betreffen.
Nach außen aber soll es so wirken, als habe er nichts zu tun mit der Partnerschaft der beiden Populisten-Parteien. In einem Kommuniqué schrieb Berlusconi, er werde einer Regierung von Lega und Fünf Sternen, so sie zustande komme, seine Stimme nicht geben. Dafür lägen die Welten der europafreundlichen Forza Italia und der Cinque Stelle zu weit auseinander. Erwartet wird, dass sich seine Parlamentarier bei einem Vertrauensvotum enthalten würden. Von einer "kritisch wohlwollenden Stimmenthaltung" ist die Rede. Im Senat, der kleineren Parlamentskammer, müssen Lega und Cinque Stelle kompakt stimmen, um ohne Hilfe Dritter an die Macht zu kommen: Die Mehrheit steht dort bei 161 Stimmen, zusammen verfügen sie über 167.
In vielen Fragen verfolgen die Parteien eine ähnliche Linie: Beide hinterfragen die Europäische Union, den Euro, die Nato, die Globalisierung; beide haben einen guten Draht zu Moskau, wollen die Sanktionen gegen Russland lockern und Italiens Wirtschaft mit Importzöllen schützen. Schwierig wird es, die liberale Steuerpolitik der Lega, die im Norden Italiens populär ist, in einem Etat zusammenzuführen mit dem fast bedingungslosen Grundeinkommen der Cinque Stelle, das im Süden gefällt - ohne die EU-Defizitvorgaben zu verletzen. Beide Parteien versprachen zudem, die Rentenreform der Sozialdemokraten rückgängig zu machen. Auch das käme Italien teuer zu stehen.
In Personalfragen ist man sich uneins. Offenbar wird auch über eine Staffette der Parteichefs auf dem Posten des Premiers nachgedacht: Demnach soll Lega-Chef Matteo Salvini zunächst zweieinhalb Jahre lang regieren, und danach Luigi Di Maio von den Cinque Stelle. Ob dieses Modell den Segen des Staatspräsidenten erhalten würde, ist nicht absehbar. Sergio Mattarella sagte am Donnerstag: "Wer vorgibt, das Land schaffe es auch ohne Europa, der betrügt das Volk."