Italien:Im Namen der Mafia

In einer Kleinstadt machen kriminelle Banden illegale Geschäfte auf Kosten von Flüchtlingen. Im Zentrum stehen ein Unternehmer mit besten Verbindungen - und ein Pfarrer. Beide wurden festgenommen, zusammen mit Dutzenden weiteren Personen.

Von Oliver Meiler, Rom

Die Mafia nimmt sich jedes Geschäft, auch ein nicht so herkömmliches. In der süditalienischen Kleinstadt Isola di Capo Rizzuto sind 68 Personen festgenommen worden, die sich im großen Stil mit der Versorgung und Verpflegung von Migranten bereichert haben. Die meisten der Festgenommenen gehören der Familie Arena an, einem Clan der kalabrischen Ndrangheta. Zu reden geben nun aber vor allem zwei Persönlichkeiten, die dem Clan den Zugang zum "Business mit den Migranten" verschafft haben sollen: ein junger Unternehmer mit besten Verbindungen zu den Institutionen und der Ortspfarrer. Auch sie wurden verhaftet.

Die Ermittlungen kreisen um das Zentrum für Asylbewerber in Isola di Capo Rizzuto. Es ist eines der größten Europas. Betrieben wird es von der karitativen katholischen "Bruderschaft der Barmherzigkeit". Den Auftrag erhielt sie 2007 vom Staat. Mit der Vergabe versprach man sich wohl eine besonders redliche Verwaltung. Nun zeigte sich aber, dass von den 103 Millionen Euro, die dem Asylzentrum in den vergangenen zehn Jahren an staatlicher Hilfe zugeflossen waren, darunter europäische Gelder, 36 Millionen in den Kassen des Clans Arena verschwanden. Die italienischen Medien schreiben von einem Geschäft auf dem "Rücken der Verzweifelten".

Als "Colletto bianco" (Italienisch für Weißkragen), wie man die vermeintlich respektablen Mittelsmänner nennt, diente der Mafia anscheinend der Unternehmer Leonardo Sacco. Als Besitzer des örtlichen Fußballvereins, Verwaltungsrat des Flughafens im nahen Crotone und Präsident des kalabrischen Ablegers der Bruderschaft war Sacco über die Region hinaus bekannt. Er trug Namen wie "Manager der Aufnahme" und "Mister Barmherzigkeit". Sacco organisierte auch Symposien, in denen er als Vorkämpfer gegen die Mafia auftrat. Es gelang ihm so, sich ein Netzwerk in Kirche und Politik aufzubauen, bis nach Rom. Es gibt ein Foto, das ihn mit Angelino Alfano zeigt, dem früheren Innenminister Italiens, der heute Außenminister ist. Sacco war bald dessen verlängerter Arm im Süden. Nach und nach erhielt er den Zuschlag für das Betreiben weiterer Lager in Kalabrien und auf der Insel Lampedusa.

Die Staatsanwaltschaft von Catanzaro deckte nun auf, dass Sacco alle Aufträge für die Verpflegung und Reinigung im Zentrum Sant' Anna von Isola di Capo Rizzuto an Strohfirmen der Arenas weitergab. Die Mafia habe das Lager wie einen "Bancomat" benutzt, sagten Ermittler. In Rechnung gestellt wurden auch Dienste, die nie geleistet wurden. Andere wurden künstlich überteuert. Das Geld fehlte dann dem eigentlichen Zweck. Als die Polizei Saccos Haus durchsuchte, fand sie 200 000 Euro und etliche Luxusautos. Denkwürdig ist auch die Rolle von Don Edoardo Scordio, 70, dem Pfarrer von Isola di Capo Rizzuto. Er verdiente gut an den Migranten. Seinen "spirituellen Beistand" verkaufte er für 132 000 Euro im Jahr.

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