Italien:Wie die Regierung Regenbogenfamilien systematisch ausgrenzt

Italien: Ministerpräsidentin Giorgia Meloni im italienischen Senat.

Ministerpräsidentin Giorgia Meloni im italienischen Senat.

(Foto: Gregorio Borgia/AP)

Das Rechtsbündnis unter Giorgia Meloni hat sein Thema gefunden: keine volle Gleichstellung für homosexuelle Paare und deren Kinder.

Von Marc Beise

Eugenia Roccella kannte kein Pardon. Immer wieder beharrte die italienische Politikerin in der Fernsehrunde auf dem, was sie als richtig für das Wohl der Kinder ausgemacht hat: geordnete Familienverhältnisse mit Vater und Mutter und lieber weniger als mehr Rechte für homosexuelle Paare. Dabei ist Roccella in der Regierung von Giorgia Meloni die Ministerin für Familie, Geburten und Chancengleichheit. Mit Letzterem aber soll es dann ein Ende haben, wenn es um Kinder in homosexuellen Partnerschaften geht. Zwei Frauen oder zwei Männer können sich nicht mehr so leicht als Eltern Neugeborener registrieren lassen wie bisher.

Vor allem aber die Leihmutterschaft erregt bei der Ministerin Anstoß. Hier gebe es "einen Markt für Kinder", wetterte sie, bei dem es um Zehntausende Euro gehe. "Das ist die Versklavung des weiblichen Körpers." So heftig ging es zur Sache, dass der TV-Moderatorin am Ende ein Schimpfwort rausrutschte - wofür sie sich sofort entschuldigte.

In letzter Zeit waren Minister der Regierung Meloni häufiger durch extrem kontroverse Bemerkungen aufgefallen, etwa der Innenminister mit despektierlichen Worten über die Opfer der Bootskatastrophen im Mittelmeer. Damit niemand denken möge, die Familienministerin sei diesmal allein unterwegs, sprangen ihr andere Regierungspolitiker zur Seite. Völlig entgleiste Federico Mollicone, Präsident der Kulturkommission im italienischen Abgeordnetenhaus, der im Zusammenhang mit der Leihmutterschaft von einem "schweren Verbrechen" sprach, "schlimmer als Pädophilie". Beide Politiker sind Mitglieder der Fratelli d'Italia, die Parteichefin Giorgia Meloni im vergangenen Herbst zur stärksten Partei und zum Wahlsieg geführt hat.

Italien: Zwei männliche Eltern mit einem adoptierten Kind - das ist nicht im Sinne der Rechtsregierung von Giorgia Meloni.

Zwei männliche Eltern mit einem adoptierten Kind - das ist nicht im Sinne der Rechtsregierung von Giorgia Meloni.

(Foto: Davide Zanin/Alamy Stock Photos/mauritius images)

Für manchen Beobachter hatte es zuletzt so ausgesehen, als ob Meloni nach dem Prinzip regiere: Bei den Funktionären rumort es, aber die Ministerpräsidentin hält sich zuverlässig im europäischen Konvoi. So blieb sie wirtschaftspolitisch auf dem Kurs ihres hoch angesehenen, parteilosen Vorgängers Mario Draghi, und auch in der Außenpolitik steht sie fest an der Seite der Ukraine, was in ihrer Koalition durchaus umstritten ist. Wenn es aber um den Kern des Menschenbildes geht, dann bezieht Meloni weiterhin klar Stellung gegen "Gender-Ideologie" und "LGBT-Lobby", und sei es durch ein demonstratives Gruppenbild mit Kind und Partner am Vatertag.

Da festigt sich eine politische Position, die Angegriffenen haben dafür ein feines Gespür. Tausende haben am Wochenende in Mailand unter Regenbogenfahnen dafür demonstriert, dass Kindschaftsverhältnisse in homosexuellen Partnerschaften weiterhin durch einen einfachen Verwaltungsakt anerkannt werden können. Der Regierung ist das alles suspekt, und vor allem Leihmutterschaften gelten ihr als Ausgeburt des Bösen.

In der EU gilt die Regel, dass diese, auch wenn sie national verboten sind, anerkannt werden können, wenn sie im Ausland durchgeführt worden sind. Gegen die Umsetzung einer entsprechenden EU-Verordnung hat die Regierungsmehrheit im italienischen Parlament jetzt gestimmt und sich damit bei einem symbolträchtigen Thema an die Seite der Visegrád-Staaten unter Führung von Ungarn und Polen gestellt - und gegen die Mehrheitsmeinung in der EU. Die Regierung Meloni fühlt sich damit gut, ihre Gegner sind alarmiert.

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