Italien:Heißsporn auf dem Weg nach oben

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Matteo Renzi, Bürgermeister von Florenz und neu gewählter Vorsitzender der italienischen Regierungspartei PD. (Foto: Giorgio Perottino/Reuters)

Er will nicht nur die Demokraten umkrempeln, sondern am liebsten das ganze Land. Matteo Renzi, der neue starke Mann der Regierungspartei, zeigt, wie sehr sich die Italiener eine andere Politik wünschen. Dabei ist der Demokrat dem ehemaligen Premier Berlusconi ähnlicher, als manchem lieb ist.

Ein Kommentar von Andrea Bachstein

Matteo Renzi genießt seinen triumphalen Wahlsieg, den er als Kandidat für den Vorsitz der Sozialdemokraten in Italien errungen hat. Der rührige Bürgermeister von Florenz will nicht nur seine PD umkrempeln, sondern das ganze Land. Fast 70 Prozent Zustimmung bei der Urwahl geben ihm dafür ein starkes Mandat. Parteiinterne Gegner, denen der 38-Jährige zu selbstbewusst und nicht links genug ist, erhielten eine Abfuhr. Zumindest für eine Weile dürften die chronischen Flügelkämpfe abflauen, welche die Partei so lange zermürbt und unglaubwürdig gemacht haben.

Bestätigt fühlen sich nun jene, die schon vor der Parlamentswahl im Februar gesagt hatten, dass die PD nur mit Renzi gewinnen könne; die der Politik nicht mehr trauten, die den Bruch mit alten (und schlechten) Traditionen wollten sowie einen Generationswechsel. Der Erfolg der Protestbewegung Fünf Sterne wäre im Frühjahr sicher kleiner ausgefallen, hätte Renzi damals als Premier kandidiert. Stellt er es geschickt an und bleibt die Fünf-Sterne-Mannschaft weiter so entäuschend wie bisher, könnte Renzi viel Boden gutmachen.

Matteo Renzi redet, als sei er nicht nur Parteichef, sondern Premier

Renzis Wahl drückt den verzweifelten Wunsch vieler Italiener nach einer zupackenden Politik aus, anstelle des Kungelns und Lavierens, durch die die amtierende Politikerkaste das Land bis zum Stillstand abgebremst hat. Die Wahl zeigt aber auch, dass das Politikmodell von Silvio Berlusconi tiefe Spuren hinterlassen hat. Es gibt Parallelen zwischen dem PD-Mann und dem Ex-Premier: Auch Renzis politische Waffe ist sein Charisma, auch er hat populistische Züge und glänzt gerne als Solist. Auch Renzi weiß sich perfekt zu inszenieren, auch er ist eine Gestalt, um die sich ein Personenkult ranken könnte.

Das kann eine Stärke sein, ebenso aber eine Schwäche. Macht zu haben, gefällt Renzi - das muss bei einem Politiker auch so sein. Die Frage ist, ob er sich davon verführen lässt. Renzi redet fast so, als sei er nicht nur Partei-, sondern schon Regierungschef. Doch der heißt immer noch Enrico Letta und kommt ebenfalls aus der PD. Vom Wesen her sind der zurückhaltende Premier und der Heißsporn aus Florenz verschieden. Gemeinsam ist ihnen, dass sie unter der alten Politikergarde gelitten haben. Beide sind zudem keine dogmatischen Linken, sondern eher linke Christdemokraten. Das ist ein Fundament, um eine Zusammenarbeit darauf aufzubauen - aber es werden wohl auch Funken fliegen.

Denn Renzi will sich in die Regierungsarbeit einmischen und mehr Tempo bei Reformen machen. Aber während Letta darauf achten muss, dass diese Reformen machbar, bezahlbar und bei den EU-Partnern vertretbar sind, kann Renzi unbekümmert alles Mögliche fordern. Schon darin liegt Konfliktpotenzial. Für Letta wird das Regieren nun kaum einfacher werden als mit der erpresserischen Berlusconi-Partei. Einen Pakt mit Letta will Renzi nur schließen, wenn ihn das Programm des Premiers überzeugt. Bisher tut es das nicht.

Renzi will Reformer sein

Eines der drängendsten Themen ist die Reform des Wahlgesetzes. Die wollen Renzi und Letta, und sie muss kommen, weil das alte Wahlrecht verfassungswidrig ist. Aber während Renzi andeutet, ein neues Wahlgesetz sei auch ein Anlass für Neuwahlen, will Letta seine Regierung wegen der Krise bis 2015 im Amt halten. Ob und wie die beiden sich einigen, ist unklar.

Renzi will sich schnell als Reformer beweisen. Doch darf er die linken Anhänger der PD nicht völlig verprellen. Ihnen passen die Ideen zur Liberalisierung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes sowie zum Abbau des Staatsapparates nicht. Sein Erfolg hängt davon ab, ob Renzi sich so zügeln kann, dass er die Skeptiker mitnimmt auf der Reise in ein modernes Italien - oder ob mit dem Kopf durch die Wand geht und dabei mehr zertrümmert als umbaut.

© SZ vom 10.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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