Süddeutsche Zeitung

Seerecht:Grenzerfahrung im Mittelmeer

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Athen und Rom ratifizieren ein Abkommen über ihre Seegrenze - und senden damit vor allem ein Signal an die Türkei, die mit Griechenland im Streit um Erdgasreserven liegt.

Von Tobias Zick, München

Aus griechischer Sicht soll es ein Signal sein, das im ganzen östlichen Mittelmeerraum seine Wirkung entfaltet. Als Außenminister Nikos Dendias am Montag seinen italienischen Kollegen Luigi Di Maio in Rom traf, tauschten die beiden Urkunden aus, die bezeugen, dass ihre jeweiligen Staaten das Seerechtsabkommen ratifiziert haben, das sie vor eineinhalb Jahren miteinander ausgehandelt und unterzeichnet hatten.

Es definiert die Wirtschaftszonen und damit den Verlauf der Seegrenzen zwischen den beiden Ländern. Und es schreibt die jeweiligen Ansprüche auf Rohstoffnutzung und Fischereirechte fest. Damit habe man "ein Verfahren zum Abschluss gebracht", sagte Dendias nach der Zeremonie, "das 45 Jahre lang offen gewesen war". Darin zeigten sich nun abermals "unsere mustergültigen Beziehungen mit Italien, sowohl innerhalb der EU als auch auf bilateraler Ebene".

Auch Di Maio betonte den Vorbildcharakter des Abkommens: Es sei ein "großer Erfolg für beide Länder und sehr wichtig für die Zusammenarbeit im Mittelmeer", sagte Italiens Außenminister. Nur durch "konstanten und konstruktiven Dialog zwischen allen Ländern der Region" könne "Stabilität im östlichen Mittelmeerraum" erreicht werden.

Damit war klar, an wen sich die gemeinsame Geste in erster Linie richtete. An die Türkei, die mit Griechenland seit Längerem im Streit über Seegrenzen und die Zugriffsrechte etwa auf Erdgasvorkommen im Mittelmeer liegt. Bevor Rom und Athen im Juni vergangenen Jahres das nun ratifizierte Abkommen unterzeichneten, hatte Ankara mit der Übergangsregierung von Libyen die Grenzen zwischen den jeweiligen "alleinigen Wirtschaftszonen" im Mittelmeer festgeschrieben, auf Kosten von Griechenland und Zypern, und sich dabei unter anderem auf das UN-Seerechtsabkommen berufen - dem die Türkei allerdings im Gegensatz etwa zu Griechenland nie beigetreten ist.

Kein Durchbruch im Streit zwischen Athen und Ankara

Athen erklärte das türkisch-libysche Memorandum denn auch umgehend für "null und nichtig" und schloss seinerseits daraufhin erst mit Italien, dann mit Ägypten ein Abkommen über die jeweiligen Wirtschaftszonen. Die zwischen Kairo und Athen vereinbarte Grenze schnitt sich freilich mit der türkisch-libyschen, woraufhin Ankara den Vertrag für "null und nichtig" erklärte.

Unterdessen schaukelte sich der griechisch-türkische Seerechtskonflikt immer weiter hoch, zum Symbol wurde das mächtige weiß-rote Forschungsschiff Oruç Reis, das Ankara immer wieder losschickte, um etwa vor der nahe am türkischen Festland liegenden griechischen Insel Kastellorizo mit seismischen Verfahren das dortige Erdgasreservoir zu erkunden. Der Konflikt drohte im vergangenen Jahr mehrmals militärisch zu eskalieren, bis Brüssel und Berlin die beiden Nato-Partner zurück an den Verhandlungstisch drängten, bislang ohne nennenswerten Durchbruch.

Auch wenn der Streit zwischen Athen und Ankara offenkundig der brisanteste ist: Im östlichen Mittelmeer brodeln eine Reihe ungeklärter Grenzfragen. Libanon und Israel etwa haben im Frühjahr dieses Jahres unter US-Vermittlung Verhandlungen über ihre umstrittene Seegrenze wiederaufgenommen, auch dort geht es vor allem um Erdgasfelder unter dem Boden des Mittelmeers. Griechenland wiederum hat zusammen mit dem jahrzehntelang verfeindeten Nachbarn Albanien im Oktober vergangenen Jahres beschlossen, den strittigen Verlauf der gemeinsamen Seegrenze vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag klären zu lassen.

Italien ist für die Regierung in Athen der am wenigsten konfliktträchtige Nachbar. Die beiden Länder sind unter anderem auch Vertragspartner in einem Projekt namens Eastmed, das vorsieht, dass künftig israelisches Erdgas per Pipeline über Zypern und Griechenland nach Italien geleitet wird - wodurch sich wiederum Ankara in seinen Interessen bedrängt sieht. Beim Treffen mit seinem italienischen Kollegen Di Maio am Montag forderte der griechische Außenminister Dendias schließlich den Abzug ausländischer Truppen aus Libyen - auch dies eine eindeutig an Ankara gerichtete Botschaft.

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