Italien:Meloni und ihre streitenden Männer

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Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zwischen ihren Stellvertretern, dem Außenminister Antonio Tajani (l.) und dem Verkehrsminister Matteo Salvini. (Foto: Riccardo Antimiani/IMAGO/ZUMA Press)

Wer da nicht an Deutschland denkt: Die beiden kleinen Koalitionspartner in Italien schenken sich nichts. Regierungschefin Giorgia Meloni zürnt, die Opposition jubiliert.

Von Marc Beise, Rom

„Männer!“ Das sei ihr erster Gedanke gewesen, sagte kürzlich die deutsche Alt-Kanzlerin Angela Merkel, als der Spiegel sie zum finalen Showdown der beiden Ampelkoalitionäre Olaf Scholz und Christian Lindner befragte. „Männer!“, wird sich im Zweifel auch die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sagen, wenn sie an ihre beiden Koalitionäre Matteo Salvini und Antonio Tajani denkt. Der Verkehrsminister und der Außenminister, Vizepremiers der Regierung, führen jeweils eine der kleinen Parteien der Koalition an, die beide im einstelligen Bereich liegen. Melonis Fratelli d’Italia können fast 30 Prozent vorweisen. Trotzdem sind es die Männer, die gerade die politische Diskussion beherrschen.

Seit Tagen findet sich ihre erbitterte Fehde auf den Titelseiten der Zeitungen und in den Topnachrichten des Fernsehens, selbst der Staatspräsident soll besorgt sein und sich bei Meloni über die Lage in ihrer Koalition erkundigt haben. Diese wiederum sei empört über das Verhalten ihrer männlichen Verbündeten, berichten Insider. Meloni soll in ihrer Stimmung wechseln zwischen dem Bemühen um Deeskalation und der Versuchung, es zum großen Knall kommen zu lassen. Erinnert an Deutschland, oder nicht?

Streit um die Fernsehgebühren

Am vergangenen Sonntag hatte Meloni die Vizes in ihren Amtssitz zu Aussprache und Friedensschluss bestellt – vergeblich, denn tags darauf ging es fröhlich weiter. Im Verlaufe der Woche scheiterte die Regierung im Senat, der zweiten Parlamentskammer, mit zwei Gesetzentwürfen, weil der jeweils andere Koalitionspartner den Plan der eigenen Regierung durchkreuzte. Tajanis Berlusconi-Partei Forza Italia blockierte den Plan von Salvinis rechtspopulistischer Lega, die mit Unterstützung von Meloni die Fernsehgebühren weiter niedrig halten wollte. Im Gegenzug verhinderte Salvini ein Projekt zur finanziellen Verbesserung des Gesundheitssystems. Vorboten der möglicherweise heftigen Auseinandersetzungen um den Haushalt 2025 in der kommenden Woche.

Öffentlich schenken sich die Kontrahenten schon länger nichts mehr. Als Tajani die Linie der Regierung zum internationalen Haftbefehl gegen Israels Premier Benjamin Netanjahu festlegte – man halte zwar wenig davon, respektiere aber das internationale Recht –, reagierte Salvini umgehend mit einer öffentlichen Einladung an Netanjahu. Er möge gerne nach Italien kommen, ihm werde dort nichts passieren. Worauf Tajani genervt vorschlug, jeder Fachminister solle sich doch auf die Themen konzentrieren, für die er zuständig sei. Sollte heißen: Der Verkehrsminister Salvini könne Brücken sanieren, er selbst bestimme mit der Ministerpräsidentin die Außenpolitik.

In der Tat sind sich der europafreundliche Tajani und die früher deutlich EU-kritische Meloni in ihrem Pragmatismus meistens einig und lassen den rechtspopulistischen Polterer Salvini ins Leere reden. So haben Melonis und Tajanis Gefolgsleute im Parlament gerade die neue EU-Kommission mitgewählt, während Salvinis Anhänger mit anderen Rechts-außen-Kräften dagegen gestimmt haben. Was außenpolitisch funktioniert, stößt innenpolitisch an seine Grenzen: Da muss man sich nämlich einigen.

Der Lega-Chef will sich wieder in Migrationsfragen profilieren

Hinter dem Streit der beiden Alphamänner stecken auch handfeste Interessen. So hat Tajani die einflussreiche Mailänder Unternehmerfamilie Berlusconi im Nacken, die auch nach dem Tod des Gründers Silvio die Geschicke der Partei bestimmt. Die Berlusconis, die ihre Milliarden unter anderem im privaten Medienbereich investiert haben, sind an dauerhaft niedrigen Gebühren des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht interessiert. Auch bei anderen Themen fordern sie von Tajani, so heißt es in italienischen Medien, mehr Härte gegenüber den Koalitionspartnern und übrigens auch eine fortschrittlichere Linie in gesellschaftspolitischen Fragen. Womit Tajani sich zunehmend bei der rechtslastigen Ministerpräsidentin unbeliebt macht, die hier sehr viel näher bei Salvini ist.

Der Lega-Chef wiederum hofft, sich in Migrations- und Finanzfragen wieder stärker als Anwalt der sogenannten einfachen Leute profilieren zu können. Auch Meloni ist von Herkunft und Habitus her Populistin. Als Regierungschefin hat sie aber die Notwendigkeit erkannt, staatstragend zu regieren und Italien solide zu finanzieren. Die Staatsverschuldung des EU-Gründungsmitglieds liegt bereits bei fast drei Billionen Euro, eine der höchsten Schuldenquoten weltweit.

Gegen die Sparpläne der Regierung für den Haushalts 2025 hatten die beiden großen Gewerkschaften für diesen Freitag einen landesweiten Generalstreik organisiert, Hunderttausende waren auf der Straße, forderten höhere Löhne und Renten sowie mehr Geld für Gesundheit und Bildung. Gestreikt wurde unter anderem in Schulen, Krankenhäusern, bei der Post und an Mautstellen der Autobahn. Im Flugverkehr und im öffentlichen Nahverkehr gab es erhebliche Verspätungen. In Turin kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei, wie die Nachrichtenagentur Ansa berichtete. Die Polizei setzte auch Tränengas ein.

Landesweiter Streik in Italien: Hier ziehen Demonstranten am Freitag durch die Straßen von Turin. (Foto: Marco Alpozzi/AP)

Angesichts all dieser Schwierigkeiten jubiliert die Opposition. „Die Regierung liegt in Trümmern“, sagte die Chefin des sozialdemokratischen Partito Democratico, Elly Schlein. Vermutlich freut sie sich zu früh, auch deshalb, weil das linke Lager selbst mit Problemen zu kämpfen hat. So zerlegt sich gerade die linkspopulistische Fünf-Sterne-Bewegung im Kampf zwischen ebenfalls zwei Männern: dem Vorsitzenden und Ex-Premier Giuseppe Conte und dem anarchistischen Parteigründer Beppe Grillo. Überhaupt ist der Zwist im linken Lager beinahe notorisch, während die Rechten bisher immer wieder zueinanderfanden, spätestens wenn gewählt wird.

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