Im Park der Villa Sciarra in Rom, in dem Kinder mit ihren Eltern unterwegs sind, Hundebesitzer, amerikanische Studentinnen und einfach nur Spaziergänger, stößt man unversehens auf eine knallrote Parkbank mit zwei Paaren rot lackierter Frauenschuhe. Ganz rechts und ganz links stehen sie, zwischen ihnen die Aufschrift „non una di meno“ – „Keine mehr“ heißt der Slogan auf Deutsch. Dieses Zeichen findet man an vielen Orten Italiens und auch in vielen anderen Ländern, wohl seitdem die mexikanische Künstlerin Elina Chauvet im Jahr 2009 in Juárez Chihuahua zum ersten Mal rote Schuhe auf einem öffentlichen Platz ausstellte, um auf die Opfer von Femiziden hinzuweisen. Also auf das Töten von Frauen, weil sie Frauen sind. Die NUDM-Bewegung (non una di meno) versteht sich als Beobachtungsstelle für Femizide, Lesbizide und Transzide. Als solche registriert sie die Einzelfälle und deren mediale Vermittlung. Die Daten wiederum sollen helfen, den Blick zu schärfen und weiterer Gewalt vorzubeugen.
Selten setzt sich in der Villa Sciarra jemand zwischen die Schuhe, irgendwie machen sie die Bank unantastbar. Das ist das Stichwort: Unantastbar sollten auch Frauen sein, wenn es gegen ihren Willen geht und um Gewalt. Leider ist das häufig nicht so, und immer wieder enden Angriffe von Männern auf Frauen, meist Partnerinnen oder Ex-Partnerinnen, tödlich – auch in Italien.
Die Tötungsrate liegt deutlich niedriger als in anderen Ländern Europas
Gerade in Italien, so sagen jene, die aufdringliche Latin Lovers vor Augen haben und im Kopf das Klischee, dass Italien ein traditionell besonders männerdominiertes Land sei. Das stimmt ausweislich vieler Untersuchungen sicher in Fragen mangelnder Gleichberechtigung: Auch wenn gerade die beiden großen politischen Parteien von Frauen geführt werden – Giorgia Meloni (rechts) und Elly Schlein (links) –, sind weiterhin Männer federführend in Politik und Wirtschaft; es gibt den Pay-Gap, die schlechtere Bezahlung von Frauen, und patriarchalische Strukturen besonders im Süden.
Was allerdings Femizide angeht, ist Italien besser als sein Ruf: Die Tötungsrate liegt deutlich niedriger als in anderen europäischen Ländern, deutlich niedriger auch als beispielsweise in Deutschland. So weist die – nicht ganz einheitliche – Statistik für 2023 in Italien 120 Femizide aus, in Deutschland 360. Dreimal so viele getötete Frauen: Das macht einen Unterschied, auch wenn man einrechnet, dass Deutschlands Bevölkerung größer ist. In Italien finden diese Morde dafür besonders viel öffentliche Aufmerksamkeit. Die Zeitungen berichten immer wieder und häufig über mehrere Seiten, das Fernsehen nimmt sich der Problematik in zahlreichen Sendungen an, einzelne Fälle sind Thema in der Bar und am Familientisch.

Eine gewaltige Aufmerksamkeit fand im November 2023 das Martyrium der 22 Jahre alten Studentin Giulia Cecchettin, die von ihrem gleichaltrigen Freund in Norditalien in der Nähe von Padua in einen Hinterhalt gelockt und mit Dutzenden von Messerstichen grausam erstochen wurde, einfach weil er nicht ertragen konnte, dass sie sich von ihm getrennt hatte und wegziehen wollte. Der Fall hat Italien besonders aufgewühlt: unter anderem wegen der Grausamkeit der Tat, wegen der Bilder von Überwachungskameras und der Fahndung nach dem Täter, der mit dem Auto nach Norden floh und auf einer Autobahn in Deutschland aufgegriffen wurde; mittlerweile ist er zu lebenslanger Haft verurteilt worden.
„Eine Kultur der Vergewaltigung“
Außergewöhnlich war der Fall auch wegen der herausragenden Persönlichkeit des Opfers, über die im Laufe der Wochen viel Positives bekannt wurde, und weil die Familie – namentlich der gerade verwitwete Vater und die Schwester – mit klugen Äußerungen an die Öffentlichkeit gingen. „Filippo ist kein Monster“, sagte beispielsweise Schwester Elena im Fernsehen, „er ist Kind des alles durchdringenden Patriarchats und einer Kultur der Vergewaltigung.“
Schülerinnen und Schüler demonstrierten im ganzen Land, in Rom gingen eine halbe Million Menschen auf die Straße. Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, alleinerziehende Mutter einer Tochter und im Unterschied zu manchem Mann in ihrer Umgebung bei diesem Thema glaubwürdig engagiert, ließ den Satz „Non sei sola“, du bist nicht allein, an ihren Amtssitz projizieren, verbunden mit der entsprechenden Notfallnummer.
Meloni war es denn auch, die am vergangenen Freitag zielgenau am Vorabend des Weltfrauentags einen Gesetzentwurf vorstellte, um den Femizid als eigenständiges Verbrechen ins Strafgesetzbuch aufzunehmen. Femizide sollen grundsätzlich zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe führen, im Unterschied zu anderen Tötungsdelikten. Erschwerende Tatumstände wie Heimtücke, besondere Grausamkeit oder Mafiabezug müssen nicht eigens nachgewiesen werden. Strafverschärfungen sind vorgesehen bei Misshandlung, Stalking, sexueller Gewalt und Rachepornos.
Opferorganisationen beklagen allerdings, dass die Rechts-außen-Regierung wie so häufig ganz auf Abschreckung durch Strafe setze und Maßnahmen zur Prävention außer Acht lasse, sie fordern zum Beispiel mehr Aufklärung in Schulen. Und Opfer-Vater Gino Cecchettin lobt das Femizidgesetz, sagt aber auch: „Ohne kulturellen Wandel reichen Gesetze nicht aus.“