Italien und Frankreich:Das liebste Feindbild

Luigi Di Maio

Die Europäische Union müsse Frankreich dafür bestrafen, dass es die Afrikaner in die Armut dränge, sagte Luigi di Maio, Vizepremier und Chef der Cinque Stelle.

(Foto: dpa)
  • Deutschland und Frankreich beschwören im neuen Élysée-Vertrag ihre guten Beziehungen.
  • Zeitgleich schießt die italienische Regierung gegen Paris, gehässig und mit Exkursen in die Kolonialgeschichte.
  • So dürfte das weitergehen, in einem stetigen Crescendo bis zu den Europawahlen.

Von Oliver Meiler, Rom

Nicht alle Nachbarn sind auch immer Freunde. Während sich in Aachen Deutsche und Franzosen ihrer Freundschaft versichern, artet im Süden die alte, sonst eher neckisch geführte Rivalität zwischen Franzosen und Italienern aus. Zur gleichen Zeit und gehässig, mit Exkursen bis in die Kolonialgeschichte. Wenn nicht alles täuscht, dann ist dies erst das Vorspiel vor dem Showdown bei den Europawahlen im Mai. Sozusagen der Antipasto, um es mit den Italienern zu sagen.

Die Populisten von Cinque Stelle und Lega, die in Rom regieren, sehen im französischen Präsidenten Emmanuel Macron und in dessen europafreundlichem Kabinett ihren liebsten Gegner, das Feindbild, an dem sich scheinbar alles festmachen lässt: die Abneigung gegen die Elite, die Banken, die Brüsseler Bürokratie.

Die linke Zeitung Il Manifesto titelte auf der ersten Seite ganz groß und mit ironischer Note: "De bello gallico". Das ist der lateinische Titel der Berichte über den Gallischen Krieg, verfasst vom großen römischen Feldherrn und Autor Gaius Julius Cäsar. Zur Schlagzeile stellte die Zeitung ein Foto von Luigi Di Maio, dem italienischen Vizepremier und Chef der Cinque Stelle. "Giggino" als Cäsar?

Bei seinem jüngsten verbalen Feldzug wirft Di Maio den Franzosen vor, dass sie die Hauptverantwortung trügen für die großen Migrationswellen aus Afrika: "Wenn es Leute gibt, die fliehen", sagte er, "dann rührt das daher, dass manche europäischen Länder, ganz zuvorderst Frankreich, nie aufgehört haben, Afrika zu kolonialisieren."

Die Europäische Union müsse Frankreich dafür bestrafen, dass es die Afrikaner in die Armut dränge. Als Beleg für die angeblich fortwährende Unterwerfung ziehen die Cinque Stelle die Währung von vierzehn west- und zentralafrikanischen Ländern heran, von denen die meisten ehemalige Kolonien Frankreichs sind: den CFA-Franc, der früher an den Franc gebunden war und der nun am Euro hängt.

Ein Schlenker gegen die Franzosen als Köder für die Linke

Die Polemik ist nicht neu, sie passt aber gerade perfekt in Di Maios Konzept. Er muss sich vom linken Flügel seiner Partei anhören, dass er sich in der Migrationsfrage allzu stark den Positionen der fremdenfeindlichen Lega gebeugt hat. Der Schlenker gegen die Franzosen und die angeblich neoimperialistische Wirkung des CFA-Franc dient als Ablenkung und als Köder für die Linke.

Nur ist die These, dass die Menschen deshalb aus Afrika fliehen, ziemlich wacklig: Von den Migranten, die 2018 über das Mittelmeer nach Italien gekommen sind, stammten nur vergleichsweise wenige aus einem Land, das mit dem CFA-Franc wirtschaftet. In den Statistiken scheint die Elfenbeinküste als erstes dieser Länder auf - und zwar an achter Stelle, mit vier Prozent aller Zuwanderer. Das kann man auf der Homepage des italienischen Innenministeriums nachlesen.

Die Polemik Roms ruft prompt Protest aus Paris hervor

Alessandro Di Battista, so etwas wie der Popstar der Cinque Stelle, ging trotzdem mit dem Faksimile einer afrikanischen Banknote in die beliebte Fernsehsendung "Che tempo che fa" auf Rai Uno. Er zerriss sie live, zur besten Sendezeit. Auch "Dibba", wie sie ihn bei den Sternen nennen, unterstellt den Franzosen recht pauschal, sie plünderten den afrikanischen Kontinent. Er darf das, er bekleidet keine Ämter.

Beim Parteikollegen Di Maio ist das anders, der sitzt an der Macht, bei ihm zählt Etikette. Das französische Außenministerium bestellte prompt die italienische Botschafterin in Paris ein, um gegen die undiplomatische Art zu protestieren.

Das wiederum rief Matteo Salvini auf den Plan, den anderen Vizepremier Italiens, der nicht so gern überholt wird im Rennen um die gröbsten Unflätigkeiten. Frankreich, sagte Salvini, wolle gar nicht, dass sich die politische Lage in Libyen stabilisiere, weil es da gegenteilige Ölinteressen habe. Libysches Öl und Gas - darum streiten die Nachbarn seit vielen Jahren: auf der einen Seite der französische Konzern Total, auf der anderen Seite die italienische Eni.

Die Italiener glauben, dass Nicolas Sarkozy 2011 vor allem deshalb auf eine internationale Intervention gegen das Regime von Muammar al-Gaddafi gedrängt habe, um Frankreich in diesem Streit in eine bessere Position zu bringen. Bisher konnte Italien den Vorteil aber verteidigen - als ehemalige Kolonialmacht, wohlgemerkt.

Stetiges Crescendo immer neuer Gehässigkeiten

Salvini nennt Macron gerne "Signorino", kleiner Herr. Wenn jeweils Kritik an seiner harten Hand gegen die Immigranten aufkommt, verweist der italienische Innenminister darauf, dass Macron Zuwanderer an der Grenze zwischen Frankreich und Italien, in Ventimiglia und bei Bardonecchia, "wie Tiere" zurückweisen lasse. Von diesem "Signorino" akzeptiere er deshalb keine Morallektionen.

So wird das wahrscheinlich weitergehen, in einem stetigen Crescendo immer neuer Gehässigkeiten, bis zu den Europawahlen. Italiens Premier Giuseppe Conte hat seine Vizes nun offenbar zur Mäßigung angehalten: Er muss schließlich mit Macron auskommen. Auch der parteilose Außenminister Enzo Moavero Milanesi forderte die beiden auf, die Propaganda leiser zu stellen. Italien, richtete er aus, könne es sich nicht leisten, sich zu isolieren. Ein solcher Dauerzwist mit Frankreich sei Gift für die Interessen des Landes. Viel Gehör wird ihm wohl nicht beschieden sein.

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