Flüchtlinge von der "Ocean Viking":Heikler Moment für Italiens neue Regierung

Flüchtlinge von der "Ocean Viking": Das Rettungsschiff Ocean Viking transportierte mit Italiens Einverständnis gerettete Migranten in die Nähe des Hafens der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa.

Das Rettungsschiff Ocean Viking transportierte mit Italiens Einverständnis gerettete Migranten in die Nähe des Hafens der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa.

(Foto: Alessandro Serrano/AFP)

Die 82 Flüchtlinge an Bord der "Ocean Viking" konnten in Italien an Land gehen. Eine systematische Lösung für aus Seenot gerettete Migranten scheint näher zu rücken. Aus der Opposition droht Salvini den NGOs.

Von Oliver Meiler, Rom

Die Ocean Viking ist ein eindrucksvoll großer Kahn: 69 Meter lang, 15 Meter breit. Früher diente er bei der Verlegung schwimmender Bohrinseln. Wenn nun Italiens Regierung fand, dass das Schiff, das 82 Migranten transportierte, besser nicht in Lampedusas Hafen anlegen sollte und die Menschen von Booten der Marine und der Küstenwache an Land gebracht würden, mag das auch an den Maßen der Ocean Viking gelegen haben. Außerdem, berichten die italienischen Zeitungen, war man aber froh, dass es keine Bilder von der Anlandung geben würde - aus rein politischen Gründen.

Die Ocean Viking, betrieben von "Ärzte ohne Grenzen" und der internationalen Organisation "SOS Méditerranée", hatte die Flüchtlinge vor mehr als einer Woche von zwei Schlauchbooten im zentralen Mittelmeer gerettet. Seither suchte die Crew nach einem sicheren Hafen, den ihr die neue Regierung aus Cinque Stelle und Sozialdemokraten dann am Wochenende zuwies. Fünf europäische Länder haben sich bereit erklärt, jeweils eine Anzahl der Migranten aufzunehmen, um Italien zu entlasten - Deutschland, Irland, Portugal, Luxemburg und Frankreich, mit denen man an einem automatisierten und freiwilligen, zeitlich aber beschränkten Verteilmodus arbeitet.

Dazu hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) der SZ gesagt, Deutschland nehme künftig jeden vierten Flüchtling auf, der nach Rettung auf See in Italien an Land gebracht wird. Die Grünen unterstützen Seehofers Entscheidung. FDP-Chef Christian Lindner dagegen sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, er warne davor, "einer so hohen Quote zuzustimmen, denn wir haben über Jahre die Hauptlast in Europa getragen". Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) begrüßte die deutschen Pläne. Man hoffe, die Initiative führe zu einem System, "das die geordnete und zeitnahe Ausschiffung von Menschen ermöglicht, die auf See gerettet werden", sagte eine Sprecherin in Genf der dpa. Frankreich, Deutschland, Italien und Malta wollen beim Treffen der EU-Innenminister am 23. September in Malta eine vorläufige Quotenregelung zur Flüchtlingsverteilung in der EU finden. Im Oktober soll der Vorschlag dann dem Europäischen Rat präsentiert werden.

Die neue Regierung muss bei den NGO-Schiffen Balance wahren

Für die neue römische Regierung markiert der Fall der Ocean Viking jetzt einen heiklen Moment. Einerseits will sie zeigen, dass sie den Umgang mit Migranten korrigiert: Matteo Salvini, der frühere Innenminister der rechten Lega, hatte mit seiner harten Rhetorik gegen die NGOs und den Hafenschließungen Stimmung gemacht. Andererseits darf das Kabinett um den alten und neuen Premier Giuseppe Conte nun nicht zu lax wirken: Das würde Salvini nützen.

Der twitterte nun, man sehe ja, was passiere, wenn er nicht mehr in der Regierung sitze: "Die Häfen sind offen für alle, Italien wird wieder zum Flüchtlingslager Europas. Conte hat vor Brüssel kapituliert." Den NGOs richtete Salvini aus: "Genießt die Häfen, solange ihr könnt, ich bin bald zurück."

Die Regierung rechnet sich aus, dass Salvinis Propaganda schnell abebben würde, wenn es gelinge, die Ankünfte rasch und menschlich zu handhaben und, vor allem, die Verantwortung auf möglichst viele Länder zu verteilen. Umfragen zeigen nämlich, dass die Italiener Immigration nicht zu ihren dringendsten Problemen zählen: Auf der Prioritätenliste liegt sie erst an siebter Stelle. Das hat auch damit zu tun, dass die Zahl der Ankömmlinge in den vergangenen Jahren stark zurückging - schon unter Salvinis Amtsvorgänger als Innenminister, dem Postkommunisten Marco Minniti. Würden es nun plötzlich wieder viel mehr, hätte Salvini beim Opponieren leichtes Spiel.

Darum also möchte man Bilder vermeiden, die den Eindruck erwecken, es legten wieder große Schiffe in Italien an. Die Passagiere der Ocean Viking wurden in den Hotspots von Lampedusa gebracht, wo sie nur 48 Stunden bleiben sollen, ehe sie weiterverteilt würden. So versprach es jedenfalls das Innenministerium dem skeptischen Bürgermeister der Insel. Es ist nämlich längst nicht immer so, dass alle Geretteten, die Teil eines Verteildeals sind, tatsächlich in andere Länder gebracht werden. Manchmal erfüllen sie die Kriterien nicht. Von 1359 Menschen, die in Salvinis Amtszeit in andere EU-Länder geflogen werden sollten, wurden am Ende nur 598 umgesiedelt - weniger als die Hälfte.

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