Italien: Fini vs. Berlusconi:Totengräber des Patriarchen

Das System Berlusconi ist an seinem Schöpfer Berlusconi gescheitert. Aber es ist an seinem ehemaligen Partner Gianfranco Fini, ihm den letzten Stoß zu versetzen.

Andrea Bachstein

Ob es nur noch Tage sind oder einige Wochen bis zum politischen Aus von Silvio Berlusconi, spielt eigentlich keine Rolle mehr. Gianfranco Fini hat ihm das Messer an die Kehle gesetzt. Er will das Trauerspiel eines alternden Patriarchen und seiner gelähmten Regierung beenden, und damit das einer Partei, die sich seit Monaten selbst zerfleischt.

Fini fordert Berlusconis Rücktritt

Gianfranco Fini(li.) will Schluss machen mit der politischen Ausnahmestellung von Premier Silvio Berlusconi(re.).

(Foto: dpa)

Die Agonie der Macht von Italiens Premier hat spätestens im vergangenen Sommer begonnen. Da warf er Fini vor die Tür, den Mitgründer seiner Partei PDL. Doch Berlusconi hatte sich gründlich verrechnet mit den Mehrheitsverhältnissen im Parlament und wurde erst recht abhängig von seinem Widersacher. Es steht nun das Ende einer Ära bevor, in der Berlusconi Italien geformt und deformiert hat.

Mit großen Hoffnungen hatte der Quereinsteiger begonnen. Als Berlusconi 1994 die Politikbühne betrat, war er unbelastet von den Kungeleien des unter Skandalen zusammengebrochenen alten Parteiensystems. Mit seinem enormen Erfolg als Unternehmer erschien er vielen als ein Garant dafür, Italien voranzubringen. Vier Mal ist er seither wiedergewählt worden. Seine Versprechungen von Reformen, Entbürokratisierung, Steuersenkungen und sein Charisma überstrahlten für viele alles andere: die Justizaffären, die mafiaverstrickten Freunde, die Berlusconi von Anfang an begleitet haben - und auch seine anrüchige Doppelfunktion als größter Medienunternehmer des Landes und als Regierungschef.

Doch nach seiner Wiederwahl vor zwei Jahren war immer schwerer zu übersehen, dass vieles zum Trugbild gerät. Der Populist Berlusconi will den Italienern, ja der ganzen Welt, vorgaukeln, er habe alles im Griff und widme sich ganz dem Wohle Italiens. Die Regierung hat ihre Kraft aber bisher vor allem mit der Suche nach Gesetzeslösungen verbraucht, die den Premier vor Prozessen schützen sollen.

Fini hat es auf den Punkt gebracht: Die angebliche "Regierung der Tat" ist in Wirklichkeit eine des "Tuns als ob". Italiens Unternehmer, Arbeitnehmer, Familien und junge Leute werden von der Politik alleingelassen mit ihren Nöten und berechtigten Sorgen. Sie äußern das immer vernehmlicher und bekommen keine Antworten.

Nicht nur die Regierung ist gescheitert, sondern auch das Parteiprojekt PDL. Zusammengegossen aus Finis voriger Partei AN und Berlusconis Forza Italia, sollte sie die gesamte Rechte einen, die "liberale Revolution" schaffen. Fini gibt auch dieser Partei keine Zukunft mehr. Die PDL ist eine Partei geworden, die nur um die Person Berlusconi kreist und um den Erhalt seiner Macht um jeden Preis. Die PDL ist eine Versammlung von Leuten, die Berlusconi stützen, um selbst nicht aus dem System zu fallen, von dem sie profitieren. Es gibt keine innere Demokratie in ihr, Berlusconi beschließt alleine und damit basta.

Fini ist mitverantwortlich

Der 74-Jährige will nicht nur die PDL so patriarchalisch führen wie früher seinen Konzern, sondern auch den Staat. Er wollte nie akzeptieren, dass eine parlamentarische Demokratie nach anderen Regeln funktioniert als eine Firma. Dass man in ihr Kritiker nicht einfach vor die Tür setzen kann, sondern sich mit ihnen auseinandersetzen muss. Berlusconi erscheint auch so gut wie nie im Parlament. Das ist nicht der einzige Ausdruck seiner Verachtung und Missachtung der Staatsinstitutionen. Egal ob Justiz oder Verfassung, der Premier sieht sie als Behinderung seines Handelns.

Fini fordert Berlusconis Rücktritt

Gianfranco Fini(li.) will Schluss machen mit der politischen Ausnahmestellung von Premier Silvio Berlusconi(re.).

(Foto: dpa)

All dem will Fini schon lange nicht mehr zuschauen. Mit seiner Bewegung Futuro e Libertà, die wohl bald eine Partei werden wird, versucht er eine Türe aufzustoßen, die hinausführen soll aus einem blockierten System. Fini will weg vom auf eine Person zugeschnittenen Führermodell der Partei, weg von dem, was man leaderismo nennt in Italien. Fini klingt, als wolle er Platz schaffen für ein modernes, liberales Mitte-rechts-Lager. Eine politische Kraft der bürgerlichen Mitte nach dem Vorbild einer Partei wie der CDU und europäisch orientiert. Der egoistischen, regionszentrierten und emigrationsfeindlichen Politik von Berlusconis Koalitionspartner Lega Nord hat er jedenfalls eine klare Absage erteilt.

So unklar wie das, was aus Berlusconis PDL ohne ihren Daseinszweck Berlusconi werden wird, ist derzeit aber, ob Fini sich bereits bei einer Wahl behaupten könnte. Gewählt aber wird mit großer Wahrscheinlichkeit schon in den nächsten Monaten - egal, ob es inzwischen noch eine Regierungsumbildung gibt oder eine sogenannte Technische Regierung des Übergangs.

Was Berlusconi den Italienern hinterlässt, ist eine gefährliche Politik- und Wahlverdrossenheit. Dies hat nicht zuletzt sein polemischer Dauerbeschuss gegen die Institutionen des Staates bewirkt. Nach einer neuen Umfrage haben als einzige Institutionen Europa und sein Parlament bei den Italienern nicht an Vertrauen verloren.

Fini als Retter Italiens zu feiern, wäre sicher falsch. Ob sein Projekt gelingt, muss sich erst zeigen. Fini hat 16 Jahre lang Berlusconi und seine Politik gestützt und ist so mitverantwortlich für den jetzigen Zustand des Landes. Vielleicht versetzt er nun dem System Berlusconi den entscheidenden Stoß. Gescheitert ist das System Berlusconi aber an seinem Schöpfer Berlusconi.

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