Italien: Fini gründet Partei:Revolte des Adjutanten

Lange folgte Gianfranco Fini Italiens Premier Silvio Berlusconi, nun will er seinem früheren Chef mit einer neuen Partei Konkurrenz machen. In Italien könnte es deshalb zu vorzeitigen Wahlen kommen.

Andrea Bachstein

Wenn sich die Falken und die Tauben nicht noch kurz vorher zerstreiten, soll es an diesem Dienstag losgehen: Gianfranco Fini, Widersacher von Italiens Premier Silvio Berlusconi im eigenen Lager, will das Gründungskomitee für seine neue Partei ins Leben rufen. Zuvor müssen sich Hardliner und Gemäßigte unter den 35 Abgeordneten, zehn Senatoren und vier Europaparlamentarier der neuen, Fini folgenden Fraktionen von Futuro e libertà (Fli) in einer ersten gemeinsamen Sitzung als einig erweisen. Die Partei, die dann vermutlich Anfang 2011 gegründet wird, wird die vierte sein in der von einer drastischen Wandlung und auch Widersprüchen begleiteten Karriere des 58-jährigen Fini.

Pk Berlusconi und Fini zum Wahlausgang

Schon seit die beiden 1994 erstmals gemeinsam zu Wahlen antraten, war ihr Verhältnis immer wieder gestört:  Silvio Berlusconi (r.) und Gianfranco Fini.

(Foto: dpa/dpaweb)

Er war nicht immer der staatsmännisch auftretende Politiker und eherne Verteidiger der Verfassung, der mit tadellos neutraler Miene seit 2008 als Abgeordnetenpräsident die Sitzungen der Parlamentskammer leitet. Zu den Widersprüchen gehört, dass er im März 2009 überhaupt den Bund mit Berlusconi vollzog: mit der Gründung der jetzigen Regierungspartei Popolo della Libertà (PDL) aus Finis Partei Alleanza Nazionale (AN) und Berlusconis Forza Italia (FI). Und dass er bis jetzt für Berlusconi stimmte.

Schon seit die beiden 1994 erstmals gemeinsam zu Wahlen antraten, war ihr Verhältnis immer wieder gestört. Aus inhaltlichen Konflikten wurde auch eine Zerrüttung des persönlichen Verhältnisses zwischen Fini, dem Legalisten, und Berlusconi, dem Populisten. Führende PDL-Leute sprachen bereits Ende vergangenen Jahres von einem Kriegszustand. Ende Juli warf PDL-Chef Berlusconi schließlich den Parteimitgründer Fini aus der PDL. Mit der Folge, dass nun die Mehrheit der Regierung in Gefahr ist und vorzeitige Wahlen möglich erscheinen.

Fini muss seine Partei zwar erst gründen, aber er hat vorgebaut. Zum einen leitet er die politische Stiftung Farefuturo, die sich mit globalen Zukunftsthemen befasst. Als Sprachrohr dient Fini die aus AN-Zeiten stammende Tageszeitung Il Secolo. Seit März gibt es auch die ihm nahestehende Vereinigung Generazione Italia. Sie wendet sich an jüngere, gebildete Leute und versucht sie der Politik nahezubringen.

Finis Gegner hatten von Anfang an den Verdacht, diese regional organisierte Vereinigung könnte die Vorstufe einer Partei sein. Generazione Italia gibt an, sie habe schon 500 Gruppen in Italien mit insgesamt 15000 Einschreibungen. Im November soll bei einer Veranstaltung von Generazione Italia die Kampagne für eine neue Partei starten. Bei Farefuturo wird am Überbau gearbeitet, einem "Manifest für Italien". Die Rede ist von einer "Partei light" - also ohne teuren Apparat.

Theoretisch ist jedoch reichlich Geld vorhanden, aus dem Erbe von Finis voriger Partei AN. Ihr Vermögen ist vorsichtshalber bei der Gründung der PDL nicht in diese eingeflossen. 77 Millionen Euro sind das plus Immobilien im Wert von 300 Millionen. Doch nicht alle, die aus der AN in die PDL gegangen sind, folgen jetzt Fini. Zum Beispiel ist Verteidigungsminister Ignazio La Russa, letzter AN-Vorsitzender, ein 150-prozentiger Berlusconi-Mann geworden. Es sind also harte Kämpfe um die Aufteilung des Schatzes der AN zu erwarten.

Die einstige AN markiert eine große Wende in Finis Weg. Er war von 1995 bis 2008 ihr Vorsitzender, nachdem er sie als Nachfolgerin der neofaschistischen MSI gegründet hatte. Zu dieser Partei war der aus Bologna stammende Fini als Jugendlicher gekommen. MSI-Mitgründer Giorgio Almirante erkor ihn als Kronprinzen. Mit 35 Jahren wurde Fini MSI-Vorsitzender. In den frühen neunziger Jahren sagte er noch, Mussolini sei der größte Staatsmann des Jahrhunderts gewesen. Doch unter Fini legte die MSI immer mehr faschistisches Gedankengut ab, bis er 1995 die AN gründete und sich klar vom Faschismus distanzierte.

Inzwischen ist Fini erklärter Freund Israels, Streiter für die Demokratie und vertritt ein liberales Gesellschaftsbild. So befürwortet er die rechtliche Anerkennung von nicht-ehelichen Partnerschaften und hat als erster Abgeordnetenpräsident Homosexuellen-Vertreter empfangen. Er verficht einen strikt laizistischen Staat und sagt, Italien brauche Immigranten. Für diese fordert er ein Wahlrecht und für ihre in Italien geborenen Kinder die Staatsbürgerschaft. Positionen, die großen Teilen der Berlusconi-Partei PDL zu weit gehen, aber vor allem für den Koalitionspartner Lega Nord kaum erträglich sind.

Finis Entwicklung wirkt erstaunlich. Es heißt, seine Lebensgefährtin, eine 20 Jahre jüngere Juristin, habe seine Sichtweisen beeinflusst. Mit ihr ist Fini nach der Trennung von seiner Ehefrau seit 2007 offiziell zusammen, sie haben zwei kleine Töchter. Das Zerwürfnis mit Berlusconi rührt zum einen von Finis Kritik am autokratischen Führungsstil des PDL-Chefs. "Er verwechselt Führung mit absoluter Monarchie", sagte Fini und sprach auch von Cäsarentum. Entscheidender war aber Finis zunehmend entschiedenes Eintreten für Respekt vor dem Parlament, der Verfassung sowie den Gesetzen und der Justiz, die Berlusconi regelmäßig attackiert. Fini hat sich quergelegt bei den Versuchen des Premiers, Immunitätsregelungen durchzusetzen, die politische Amtsträger auf Dauer vor Strafverfolgung schützen würden. Fini hat Einspruch erhoben gegen Pläne, die die Informationsfreiheit einschränken oder das Prozessrecht beschädigen würden. Er will Leute mit Vorstrafen nicht in politischen Ämtern sehen.

Der Schriftsteller und Altkommunist Andrea Camilleri hält Finis Agieren für glaubwürdig. Er sähe eine Rechte unter Finis Führung als großen Fortschritt für die Politik, weil es eine Rechte wäre, die sich an demokratische Spielregeln hält. Nicht wenige Italiener misstrauen Fini aber wegen seiner Positionswechsel. So viele Jahre sei er Berlusconi gefolgt und habe von ihm profitiert, kritisieren sie. Nun agiere Fini verräterisch aus Machtkalkül. Nach einer neuen Umfrage kann eine künftige Partei Finis derzeit mit 7,5 Prozent der Stimmen rechnen. Wenn er Gewicht im Parlament haben will, müsste Fini sich einen Partner suchen. Zum Beispiel die kleine Partei UDC von Pier Ferdinando Casini. Mit dem betrieb er in der zweiten Regierung Berlusconi bis 2006 eine Art Opposition gegen den Premier. Zur Wahl 2008 ist Fini dann ohne Casini wieder mit Berlusconi angetreten. Bei der nächsten Wahl könnte es dann mit Casini, aber gegen Berlusconi gehen.

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